Berlin. Die Verteidigungsministerin erklärt ihren Rücktritt mit kritischer Berichterstattung. Worte für eigene Fehler findet Lambrecht nicht.

Fünf schriftliche Sätze ist die Rücktrittserklärung von Christine Lambrecht lang. „Ich habe heute den Bundeskanzler um Entlassung aus dem Amt der Bundesministerin der Verteidigung gebeten“, teilt die SPD-Politikerin am Montag mit. Damit beendet die 57-Jährige einen Schwebezustand, der seit Freitagabend herrschte, als erste Meldungen über ihren Rückzug aus dem Amt kursierten und das gesamte Wochenende über weder bestätigt noch dementiert wurden.

Eine Überraschung war der Rückzug von Lambrecht nicht. Die Art und Weise, wie der geplante Rücktritt aber ihren Weg an die Öffentlichkeit fand, war jedoch ungewöhnlich. Und passte doch zu der Amtszeit von Christine Lambrecht an der Spitze des Verteidigungsministeriums, in der sie eine Kommunikationspanne an die andere reihte: die stolze Verkündung von 5000 Helmen als wichtige deutsche Unterstützung für die Ukraine, der Mitflug ihres erwachsenen Sohnes im Diensthelikopter vor dem gemeinsamen Osterurlaub, das peinliche Neujahrsvideo.

In ihrer Amtszeit gelang es Lambrecht nicht, im Amt der Verteidigungsministerin Fuß zu fassen.
In ihrer Amtszeit gelang es Lambrecht nicht, im Amt der Verteidigungsministerin Fuß zu fassen. © AFP | Axel Heimken

Lambrecht-Rücktritt: Selbstkritik Fehlanzeige

„Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu“, schreibt Lambrecht in ihrer knappen Rücktrittserklärung. „Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen.“ Sie habe sich deshalb entschieden, ihr Amt zur Verfügung zu stellen.

Dass sie mit ihren Ungeschicklichkeiten und Fehlern die kritische Berichterstattung selbst ausgelöst hat, erwähnt Lambrecht nicht. Selbstkritik Fehlanzeige.

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SPD-Politikerin wollte Politik eigentlich 2021 den Rücken kehren

Eigentlich hatte Lambrecht frühzeitig vor Ende der vergangenen Legislaturperiode schon ihren Rückzug aus der Politik erklärt, zu dem Zeitpunkt war sie eine Leistungsträgerin der SPD im Kabinett der großen Koalition. Die Juristin hatte das Amt der Justizministerin inne, für einige Monate übernahm sie zusätzlich das Familienministerium. Doch mit einem Wahlsieg der SPD rechnete in der Partei kaum jemand, als Lambrecht ihren Entschluss fasste, der Politik den Rücken zu kehren. Zur Bundestagswahl 2021 trat sie nicht mehr an.

Diese Entscheidung habe rein persönliche Gründe, sagte Lambrecht Ende 2020 in einem Interview mit dieser Redaktion. Sie verwies auf mehr als 20 Jahre als Abgeordnete und ihren Sohn, den sie in der Zeit bekommen hatte. „Mit Mitte 50 überlegt man sich, was man in seinem Berufsleben noch so machen möchte“, sagte Lambrecht. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, wieder als Rechtsanwältin zu arbeiten. Das ist mein Traumberuf, den ich mir hart erkämpft habe.“

Lambrecht wollte das Innenministerium – Scholz bot ihr Verteidigung an

Als Olaf Scholz dann aber die Wahl gewann und als Bundeskanzler attraktive Ämter zu vergeben hatte, rief er auch Lambrecht an. Scholz bot ihr aber nicht das Amt der Innenministerin an, das Lambrecht gerne gehabt hätte, sondern bat sie, das Verteidigungsministerium zu übernehmen. Das Amt gilt als das wohl schwierigste im gesamten Kabinett. Es war ein Vertrauensbeweis des Kanzlers.

Lambrecht sagte zu, tat sich aber von Anfang an schwer mit dem Ministerium und der Truppe. So bekannte Lambrecht direkt zu Beginn offen, die Dienstgrade der Bundeswehr nicht zu kennen. Die Bundeswehr ist inzwischen gewöhnt, dass die Verteidigungsminister vor ihrer Berufung nicht unbedingt vom Fach sind. Aber sowas kommt bei den Soldaten nicht gut an.

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Mit dem Ukraine-Krieg geriet Lambrecht noch stärker in den Fokus

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine geriet Lambrecht noch einmal stärker in den Fokus. Mit dem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro standen ihr auf einmal Mittel zur Modernisierung der Truppe zur Verfügung, von denen ihre Vorgänger nur träumen konnten. Das in sie gesetzte Vertrauen konnte Lambrecht aber nicht erfüllen. Das Kanzleramt zog die Verteidigungspolitik und die Entscheidung über Waffenlieferungen in die Ukraine immer stärker an sich. Zuletzt wirkte Lambrecht, als habe sie in der Frage von Panzerlieferungen an die Ukraine kaum ein Wort mitzureden.

Über ein Ausscheiden Lambrechts aus dem Ampel-Kabinett war schon seit längerer Zeit spekuliert worden. Das Wann und Wie kam dann aber auch für viele in der SPD-Spitze und der Regierung überraschend, daher wohl auch die Hängepartie zwischen den ersten Meldungen am Freitagabend und der offiziellen Erklärung am Montag. „Ich danke allen, die sich jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren und wünsche ihnen von Herzen alles erdenklich Gute für die Zukunft“, zog Lambrecht nun einen Schlussstrich unter ihre kurze Zeit als Verteidigungsministerin. Und wohl auch unter ihrer Karriere als aktive Politikerin.