Berlin. Im Saarland droht der CDU bei der Landtagswahl am Sonntag der Machtverlust. Die SPD will übernehmen. Das schlägt auch Wellen im Bund.

Das Saarland ist vergleichsweise klein. Doch die Aufmerksamkeit, die dem Bundesland mit einer Million Einwohnern am Sonntag zuteil wird, ist erheblich. Die Landtagswahl ist der erste politische Stimmungstest seit dem Start der Ampel-Regierung im Bund. Das Saarland bildet auch den Auftakt in ein Jahr mit wichtigen Landtagswahlen:

Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein folgen im Mai, Niedersachsen im Oktober. Kein Wunder, dass in den Führungsetagen der Berliner Parteizentralen sehr genau hingesehen wird, wer das Rennen macht. Signalwirkung hat der Wahlausgang vor allem für CDU und SPD – und ihre neuen Parteichefs.

Tobias Hans gegen Anke Rehlinger:

Am spannendsten wird der Wettbewerb zwischen Ministerpräsident Tobias Hans von der CDU und seiner SPD-Herausfordererin Anke Rehlinger. Die Landeswirtschaftsministerin ist zugleich Stellvertreterin von Hans in der großen Koalition in Saarbrücken. Schon 2017 war Rehlinger SPD-Spitzenkandidatin. Damals unterlag sie CDU-Amtsinhaberin Annegret Kramp-Karrenbauer. Nun versucht es Rehlinger erneut.

Und laut Umfragen stehen ihre Chancen gut: In einer neuen ZDF-Umfrage kommt die Saar-SPD auf 41 Prozent, die CDU erreicht nur 28 Prozent. Für die CDU wäre eine Niederlage besonders bitter: Sie würde erstmals seit 1999 die Mehrheit an der Saar verlieren. Als Option für diesen Fall gilt dennoch eine Neuauflage der großen Koalition – dann unter Führung der SPD. Rehlinger zeigt sich offen dafür.

Friedrich Merz:

Für den noch recht neuen CDU-Bundesvorsitzenden ist es die erste Landtagswahl in diesem Amt – und ein Sieg der Saar-CDU wäre ein erfolgreicher Einstand als Parteichef. Doch vermutlich wird es anders kommen. Umso mehr wird in der Berliner CDU-Zentrale betont, dass die Landesverbände für ihre Wahlkämpfe selbst verantwortlich sind.

Und es kommt der Zusatz, dass man die Kampagne der Landespartei auch nicht für sonderlich gelungen hält. Das Ziel ist klar: Eine Niederlage soll nicht am Bundesvorsitzenden Merz hängen bleiben.

Lars Klingbeil und Saskia Esken:

Wie für Merz ist es auch die erste Landtagswahl für das neue SPD-Vorsitzendenduo. Für Esken und Klingbeil wäre es ein wichtiger Erfolg, mit einem Sieg und einer neuen SPD-Ministerpräsidentin ins Wahljahr starten zu können.

Wie wichtig die SPD die Wahl nimmt, lässt sich an den Besuchen der Berliner Parteiprominenz im Wahlkampf ablesen. Neben Klingbeil und Esken kam auch Kanzler Olaf Scholz, um Rehlinger mit einem gemeinsamen Auftritt zu unterstützen. Und das inmitten der Krise um den russischen Angriff auf die Ukraine.

Zugleich wäre ein Erfolg im Saarland ein Stück weit Vergangenheitsbewältigung: Im Jahr 2017 endete mit Rehlingers Niederlage der Hype um den damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Es folgten Schlappen in Schleswig-Holstein, NRW sowie bei der Bundestagswahl.

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23,637,3-11,510,07,210,5

Die Daten stammen vom Bundeswahlleiter und geben das vorläufige Ergebnis wieder. Alle Angaben in Prozent. Die Grünen konnten im Saarland nicht mit einer Landesliste antreten, erhielten also auch keine Zweitstimmen.

Die interaktive Wahlkarte zeigt, wie in allen deutschen Wahlkreisen abgestimmt wurde.

Ricarda Lang und Omid Nouripour:

Für die Grünen war das Saarland in den letzten Jahren kein leichtes Pflaster. 2017 schafften sie es nicht in den Landtag. Im vergangenen Jahr zerstritt sich der Landesverband bei der Listenaufstellung derart, dass die Saar-Grünen bei der Bundestagswahl nicht zur Wahl standen.

Aktuell sieht es in Umfragen so aus, als könnten die Grünen es knapp in den Landtag schaffen. Für das Grünen-Führungsduo Lang und Nouripour, deren Partei im Bund als zweitgrößte Partnerin in der Ampel regiert, wäre es bitter, wenn die Grünen im Saarland an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten.

Christian Lindner:

Für den FDP-Chef fällt das Saarland weniger ins Gewicht als die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in NRW. Die Liberalen sind im Saarland seit zehn Jahren nicht mehr im Landtag und auch diesmal ist der Wiedereinzug ungewiss. In den letzten Umfragen lag die FDP nur noch bei fünf Prozent. Lindner wird einen Misserfolg in Saarbrücken verschmerzen können. Sein Fokus liegt auf Düsseldorf und Kiel.

Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow:

Die Linke-Chefinnen müssen sich im Saarland auf eine historische Schlappe einstellen. Der Parteiaustritt von Linke-Mitbegründer Oskar Lafontaine vergangene Woche steht symbolisch für den Niedergang der Partei im Saarland: 2009 lag sie noch bei 21 Prozent, nun droht sie aus dem Landtag zu fliegen. Den Linke-Chefinnen, deren Partei bei der Bundestagswahl fast den Wiedereinzug verfehlte, stehen harte Zeiten bevor.

Tino Chrupalla:

Der Bundeschef der AfD, der seit dem Austritt von Co-Sprecher Jörg Meuthen allein die Geschäfte führt, kann trotz heftiger Konflikte und Chaos im Landesverband auf den Einzug ins Parlament hoffen. Der harte Kern der Wählerschaft steht fest zur Partei und hält somit auch den größten Druck von Chrupalla fern. In Umfragen steht die extrem rechte Partei stabil bei sechs bis acht Prozent.