Berlin. Industriepräsident Siegfried Russwurm zeigt sich offen für einen späteren Renteneintritt. Der Chef der Arbeitsagentur hält dagegen.

  • Müssen die Deutschen künftig noch länger arbeiten?
  • Die Anhebung des Eintrittsalters in die Rente wird immer wieder diskutiert
  • Auch der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie hält das für möglich - doch es gibt Gegenstimmen

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, hat die Politik aufgefordert, sich mit einer möglichen Reform der Rente auseinanderzusetzen. „Die Politik will keine längere Lebensarbeitszeit, will keine Sozialversicherungsbeiträge über 40 Prozent, will das Rentenniveau auf mindestens 48 Prozent halten – die Gleichung geht nicht auf“, sagte Russwurm unserer Redaktion.

Es brauche zukunftsweisende Reformen: „Auch eine verlängerte Arbeitszeit sollte nicht weiterhin von der Politik ausgeschlossen werden“, sagte Russwurm.

Rente: Arbeitsagenturchef sieht in höherem Renteneintrittsalter keine Lösung

Neben der Einwanderung von Experten könne die Lebensarbeitszeit ein Hebel sein, um dem Problem der Demografie zu begegnen. „Alle Unternehmen, auch wir in der Industrie, stehen vor einer enormen demografischen Herausforderung“, mahnte der Industriepräsident im Gespräch mit unserer Redaktion.

Die Bevölkerung hierzulande wird immer älter – absehbar werden viele Fachkräfte fehlen. Schon jetzt klaffen in Branchen wie dem Handwerk, Speditionen oder der IT große Personallücken.

Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, hält ein höheres Renteneintrittsalter aber für keine Lösung: „Die Erhöhung des Renteneintrittsalters würde nicht auf einen Schlag eingeführt, sondern gestaffelt. Es würde bei der jetzigen Fachkräftesituation gar nicht helfen“, sagte Scheele unserer Redaktion.

SystemDie gesetzliche Rente funktioniert nach dem Äquvivalenz- und dem Solidarprinzip.
Renten-ArtenGrund-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrente
AusnahmenSelbstständige und Freiberufler sind in der Regel von der Versicherungspflicht befreit.
FinanzierungDie gesetzliche Rente in Deutschland ist grundsätzlich umlagenfinanziert.
ProblemeDie Unterfinanzierung resultiert hauptsächlich aus der zunehmend älter werdenden Bevölkerung in Deutschland.
Drei SäulenDie Altersvorsorge in Deutschland umfasst die gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge.
UrsprungDie gesetzliche Rente wurde am 22. Juli 1889 unter Reichskanzler Otto von Bismarck offiziell eingeführt.

Arbeitgeberverbände fordern höheres Renteneintrittsalter

Im vergangenen Jahr hatte bereits Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger auf eine Rentenreform gedrungen. „Mit einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren kommen wir nicht hin. Wir sollten das Renteneintrittsalter in der Form dynamisieren, dass es mit steigender Lebenserwartung automatisch angehoben wird“, hatte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) im Interview mit unserer Redaktion gesagt.

Auch Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, hatte auf ein höheres Renteneintrittsalter gedrungen. „Wir werden in den nächsten Jahren über ein Renteneintrittsalter von 69 bis 70 Jahren reden müssen“, hatte Wolf im Interview mit unserer Redaktion gesagt.

Gewerkschaften weisen Forderung zurück

Auch die Bundesbank hatte bereits die Rente mit 69 Jahren und vier Monaten angeregt – und war dafür heftig in die Kritik geraten.

So hatte der Chef der Baugewerkschaft IG BAU, Robert Feiger, gegenüber unserer Redaktion den Verantwortlichen der Bundesbank ein Praktikum auf einer Baustelle nahegelegt: „Wir organisieren das gerne. Anschließend würde ich sie fragen, ob sie ihren Vorschlag immer noch aufrechterhalten möchten“, hatte Feiger gesagt.

Dieser Artikel ist zuerst auf waz.de veröffentlicht worden.