Berlin. Olaf Scholz fordert verschiedene Schritte, um Lücken am Arbeitsplatz zu schließen. Dazu gehört, dass mehr Menschen bis 67 arbeiten.

Eine schnellere Einbürgerung und einen vereinfachten Zuzug für Fachkräfte: Die Ampel-Koalition will im kommenden Jahr zentrale Vorhaben aus dem Bereich der Integrations- und Einwanderungspolitik umsetzen. Nach Ansicht von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) korrigiert seine Regierung damit Fehler der Vergangenheit und reagiert auf den Mangel von Arbeitskräften in Deutschland. Scholz fordert jedoch weitere Schritte, um Lücken am Arbeitsmarkt zu schließen. Dazu gehört auch, dass mehr Menschen bis 67 arbeiten.

"Die Koalition ist sich völlig einig, das Staatsbürgerschaftsrecht zu modernisieren und mit einer deutschen Eigenheit aufzuräumen", sagte Scholz unserer Redaktion sowie unserer französischen Partnerzeitung "Ouest-France". "Ganz lange wurden die, die nach Deutschland eingewandert sind, so behandelt, als würden sie das Land später wieder verlassen – die Erlangung der Staatsbürgerschaft stand nicht im Vordergrund."

Einbürgerung in Deutschland: Ampel will Wartezeit verkürzen

Der Bundeskanzler betonte: "Wir sind aber längst Einwanderungsland und wollen es nun an internationale Standards angleichen." Das heiße: "In vielen Staaten erhält man die Staatsbürgerschaft nach fünf Jahren. Das soll auch bei uns künftig der Fall sein, wenn man Deutsch kann, seinen eigenen Lebensunterhalt verdient und keine Straftaten begangen hat." Lesen Sie auch: Ein Jahr Ampel-Koalition – Olaf Scholz im großen Interview

Bisher haben Zuwanderer in Deutschland die Chance, nach acht Jahren eingebürgert zu werden. Die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen will dies nun wie von Scholz geschildert verkürzen. Bei "besonderen Integrationsleistungen" wie zum Beispiel herausragenden Leistungen in Schule und Beruf oder besonders guten Sprachkenntnissen könnte die deutsche Staatsbürgerschaft auch schon nach drei Jahren erlangt werden.

Staatsbürgerschaft: Union kritisiert schnelleren Zugang zum deutschen Pass

Kürzlich von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgestellte Pläne sehen zudem vor, dass in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern automatisch Deutsche werden, wenn ein Elternteil bereits seit fünf Jahren "seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt" in Deutschland hat. Bislang war das erst nach acht Jahren der Fall. Und wer Deutscher oder Deutsche werden will, soll die alte Staatsbürgerschaft dafür nicht mehr aufgeben müssen.

Innenministerin Nancy Faeser und Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD).
Innenministerin Nancy Faeser und Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD). © AFP | Tobias Schwarz

Die Pläne sollen im kommenden Jahr beschlossen werden. Eine schnellere Einbürgerung von Migranten führt nach Einschätzung des Münchner ifo Instituts zu einer besseren Integration vor allem in den Arbeitsmarkt. Die Union hatte das Vorhaben scharf kritisiert und der Regierung vorgeworfen, den deutschen Pass zu "verramschen".

Kanzler Scholz: Brauchen Einwanderung aus dem Ausland

Die FDP steht hinter den im Koalitionsvertrag vereinbarten Plänen zur Reform der Einbürgerungsregeln. Nach Bekanntwerden der Reformvorschläge aus dem Bundesinnenministerium hatte der kleinste Koalitionspartner jedoch zunächst Kritik geäußert. Einerseits fordert die Partei, mehr für Rückführungen und gegen illegale Migration zu tun. Andererseits will die FDP zusammen mit der Einbürgerung auch die Fachkräftezuwanderung regeln. Das Fehlen ausgebildeter Arbeitskräfte in vielen Branchen zählt zu den großen Sorgen der deutschen Wirtschaft. Mehr zum Thema: Der schnelle Weg zum deutschen Pass – Das steckt dahinter

Auch Scholz betont die Notwendigkeit, Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. "Fachleute sagen, dass bis Ende des Jahrzehnts etwa sechs Millionen Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt fehlen werden, bis 2035 wohl sieben Millionen. Einiges können wir auffangen, indem wir bessere Startmöglichkeiten für junge Leute schaffen und in die berufliche Aus- und Weiterbildung investieren", sagte der Kanzler.

"Und viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der EU werden im Rahmen der Freizügigkeit zu uns kommen, wie das in den vergangenen Jahren schon der Fall war. Und zusätzlich werden wir auch Einwanderung aus anderen Ländern benötigen, um unseren Wohlstand sichern zu können."

Ausländische Fachkräfte sollen leichter nach Deutschland kommen können

Die Einwanderung von Fachkräften aus Ländern außerhalb der Europäischen Union steht ebenfalls auf dem Programm der Ampel-Koalition für das kommende Jahr. Unter Federführung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil soll in den kommenden Wochen ein Gesetzentwurf erarbeitet werden, den der SPD-Minister Anfang 2023 in den Bundestag einbringen will. Die deutsche Wirtschaft begrüßt das Vorhaben der Ampel-Koalition.

Eckpunkte für das Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung gibt es bereits: Demnach sollen Nicht-EU-Ausländer die Möglichkeit bekommen, über ein Punktesystem zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland zu kommen. Punkte könnte es etwa für Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung oder "Deutschlandbezug" geben – etwa vorherige Aufenthalte oder Arbeit bei einem deutschen Arbeitgeber im Ausland. Anerkannte ausländische Fachkräfte sollen künftig auch in Berufen arbeiten können, die mit ihrer Ausbildung nichts oder wenig zu tun haben. Ein Mechaniker könnte etwa als Lagerist oder eine Polizistin als Kellnerin angeworben werden.

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Scholz: Mehr Menschen sollen bis 67 arbeiten können

Aus Sicht von Scholz sind jedoch weitere Änderungen erforderlich, um den Mangel an Arbeitskräften zu bekämpfen. Der Bundeskanzler will erreichen, dass mehr Menschen bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten. "Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können. Das fällt vielen heute schwer", sagte der Sozialdemokrat. "Auch beim Anteil von Frauen am Arbeitsmarkt gibt es noch Steigerungspotential. Damit das hinhaut, müssen wir aber Ganztagsangebote in Krippen, Kitas und Schulen ausbauen."

Aus den anderen Parteien gab es zum Teil Lob, aber auch Kritik. "Gut ist, dass der Kanzler erkannt hat, dass wir ein Problem bei der Rente haben", sagte etwa Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch dieser Redaktion. Gleichzeitig forderte er die Bundesregierung zu einer grundlegenden Rentenreform auf: "Die Ampel sollte nicht kleinteilig agieren, sondern eine große Rentenreform in Angriff nehmen, die die gesetzliche Rentenversicherung stärkt, wo alle einzahlen, Altersarmut verhindert wird und der Lebensstandard im Alter gesichert wird."

Sozialverband begrüßt Scholz-Vorstoß zum Arbeiten bis 67

Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) begrüßt den Vorstoß, mehr Menschen das Arbeiten bis 67 zu ermöglichen. "Dass die Regierung im Kampf gegen den Fachkräftemangel kreativ werden muss, verstehen wir", sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier dieser Redaktion. "Es ist darum auch richtig, mehr zu tun, damit Ältere länger arbeiten können, etwa durch Umschulungen oder bessere Arbeitsbedingungen. " Wichtig sei dabei aber, dass die Menschen auch tatsächlich bis zur Regelaltersgrenze arbeiten könnten und nicht vorher aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden müssten.

Engelmeier unterstützte zudem "ausdrücklich" den Vorschlag des Kanzlers, das Steigerungspotenzial beim Anteil von Frauen im Berufsleben zu nutzen. "Das ist überfällig und gilt genauso für die vielen zwar gut ausgebildeten, aber arbeitslosen Menschen mit Behinderung oder Schwerbehinderung", so die SoVD- Vorstandsvorsitzende.

(jdö, gau, jos, hai, van)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.