Berlin. Angesichts der Energiepreise denkt die Bundesregierung über Entlastungen nach. Habeck und Lindner haben unterschiedliche Vorstellungen.

  • Die Preise für Sprit, Heizen und Strom sind auf einem Rekordhoch
  • Nun will die Ampelregierung die Bürgerinnen und Bürger entlasten
  • Tankrabatt und Co. – Was jetzt geplant ist

Teures Heizen, teurer Strom, teurer Sprit: Die Preisentwicklung der letzten Monate bringt viele Menschen an den Rand ihrer finanziellen Möglichkeiten. Die Bundesregierung will Druck von den Verbraucherinnen und Verbrauchern nehmen. Doch welche das sein sollen, darüber ist die Koalition uneins.

Wie wirkt sich der Krieg in der Ukraine auf Preise in Deutschland aus?

Deutschland bezieht noch immer große Mengen Gas und Öl aus Russland. Die russische Seite betont, dass die Lieferverpflichtungen eingehalten werden. Trotzdem treibt Russlands Krieg in der Ukraine die Preise nach oben, sowohl bei Gas als auch bei Öl, und damit auch bei Treibstoffen. Selbst auf Lebensmittel schlagen diese Entwicklungen durch – unter anderem wegen höherer Logistikkosten, die weitergegeben werden, erwarten Experten einen Anstieg der Preise.

Welche Entlastungen sind im Gespräch?

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will vor allem die Preise an der Tankstelle drücken: Wie die „Bild“-Zeitung berichtete, plant Lindner einen Rabatt auf die Spritpreise. „Umgehend“ wolle der Finanzminister demnach einen festen Preisnachlass einführen, um die Ausgaben der Autofahrer je Liter Kraftstoff Richtung zwei Euro zu drücken. Der solle direkt beim Bezahlen an der Tankstelle abgezogen werden. Tankstellenbetreiber sollen laut dem Bericht den Rabatt anschließend vom Bund erstattet bekommen. Die Höhe des Nachlasses stehe noch nicht fest.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dringt auf weitere Unterstützung für Verbraucherinnen und Verbraucher: Der Angriff Russlands treibe die fossilen Energiepreise nach oben. „Und das alles, weil Angst vor Energieknappheit und Spekulationen die Preisspirale anheizen“, sagte Habeck.

Er nannte drei Kriterien für die Entlastungen: Erstens müsse es Erleichterungen geben bei Strom, Wärme und Mobilität. „Gerade die hohen Heizkosten erdrücken zahlreiche Familien“. In Habecks Ministerium schätzt man, dass die Gasrechnung für eine Durchschnittsfamilie in einem unsanierten Ein-Familien-Haus im laufenden Jahr um etwa 2000 Euro steigt.

Zudem müsse der Verbrauch gemindert werden, etwa beim Autofahren oder durch den Austausch von Gasheizungen. Drittens seien weiter marktwirtschaftliche Impulse nötig, damit gelte: „je effizienter, desto geringer die Kosten“.

Wem hilft das?

Die 68 Prozent der Berufspendler in Deutschland, die mit dem Auto zur Arbeit fahren, würden von einem Spritrabatt, wie ihn Lindner sich vorstellt, profitieren. Aus Sicht des Staates ist attraktiv, dass ein solcher Rabatt als eine Steuersenkung relativ unkompliziert eingeführt werden kann – und auch wieder abgeschafft, wenn die Preise sinken.

Allerdings: Während die Preise für alle Autofahrer und -fahrerinnen unangenehm sind, reißen sie unterschiedlich große Löcher in die Haushaltskasse. Nach Daten des Umweltbundesamts hat die Mehrheit der Haushalte mit sehr niedrigem Einkommen in Deutschland gar kein Auto. In der obersten Einkommenskategorie dagegen haben 50 Prozent der Haushalte zwei Autos oder mehr.

Experten kritisierten den Rabattvorschlag als wenig zielgerichtet: Ein Spritpreisdeckel sei eine Umverteilung von unten nach oben, von der vor allem Besserverdienende profitieren würden, so Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Menschen mit geringen Einkommen bräuchten Hilfe bei den Kosten für Heizen, Nahrungsmittel und die Grundversorgung, schrieb Fratzscher. „Dort muss die Politik ansetzen.“ Christian Odendahl, Chefökonom des Thinktanks „Center for European Reform“, nannte den Vorschlag „die denkbar schlechteste aller Politikoptionen im Moment“.

Selbst bei den Tankstellen ist man nicht überzeugt von Lindners Vorstoß: Ein solcher Rabatt wäre „eine hochbürokratische Maßnahme, umso mehr, wenn damit tatsächlich gemeint sein sollte, dass jede Tankstelle dafür auch noch die jeweiligen Tankquittungen beim Finanzamt einreichen muss“, sagte Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Zen­tralverbands des Tankstellengewerbes (ZTG), dem „Handelsblatt“.

Olaf Lies (SPD), Umweltminister von Niedersachsen und aktueller Vorsitzender der Umweltministerkonferenz, sagte unserer Redaktion, es sei richtig, dass der Staat eingreife und entlaste. Gleichzeitig dürfe man nicht diejenigen stützen, die versuchen würden, aus der Situation Profit zu schlagen: Der Staat müsse „denen, die sich an der aktuellen Situation bereichern wollen, auf die Finger hauen“, sagte Lies.

Müssen wir uns einschränken?

Die Preise können Kundinnen und Kunden nicht steuern, wohl aber den Verbrauch. Das Umweltbundesamt ruft dazu auf, Energie zu sparen: Würden alle Haushalte in Deutschland die Temperatur in den Wohnungen um ein Grad senken, würden rund 10 Terawattstunden weniger Gas benötigt. Und ein Tempolimit auf Autobahnen auf maximal 100 km/h und auf 80 km/h auf Straßen außerorts würde laut Umweltbundesamt immerhin 2,1 Milliarden Liter Kraftstoff einsparen.

Gibt das Krach in der Koalition?

Bei aller Einigkeit, dass etwas getan werden muss, um den hohen Preisen entgegenzusteuern, zeichnet sich ab, dass die Vorstellungen über die genauen Gegenmittel zwischen den Ampel-Parteien auseinandergehen. Man könne das „noch ein bisschen besser machen“, sagte Habeck zum Vorschlag Lindners für Spritrabatte, bemüht um eine einigermaßen diplomatische Formulierung.

Grünen-Parteichefin Ricarda Lang wurde da schon deutlicher: „Es gibt jetzt verschiedene Vorschläge, die im Raum stehen, das ist auch erst mal gut“, sagte Lang am Montag über den Tankrabatt. „Es wäre nur ganz gut, wenn die Vorschläge dann auch Sinn machen würden.“ Ein Entlastungspaket dürfe nicht nur beim Benzin ansetzen, während auch Gas- und Lebensmittelpreise steigen.

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