Berlin. Fällt russisches Gas weg, wird die Versorgungslage eng. Dann würden USA und Katar einspringen. Wie realistisch ist der Notfallplan?

Russland verlegt unverändert Truppen und Waffen an die Grenze zur Ukraine. Die Kriegsgefahr nimmt zu – nicht etwa ab. US-Präsident Joe Biden sieht eine "ausgeprägte Möglichkeit" einer Invasion, insbesondere im Februar.

Falls Europa auf russisches Gas verzichten muss – oder will –, würden Katar und die USA mit Flüssiggas als Lieferanten einspringen. Mehr zum Thema: Putins Pläne in der Ukraine: Riskiert er einen langen Krieg?

Mitten im Winter ist Deutschland besonders verwundbar, zumal es mehr als die Hälfte seines Erdgases aus Russland bezieht und zu wenig Vorsorge getroffen hat: Die Reservespeicher sind nur zu knapp 45 Prozent gefüllt.

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Viele Menschen in Deutschland heizen und kochen mit Gas. Ein Totalausfall wäre für die Verbraucher der absolute Notfall. "Wenn russische Gaslieferungen komplett wegbrechen, ist die Situation eng", sagte die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, unserer Redaktion. "Es ist eine Krise."

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Momentan gehe es um eine Überbrückung. "Wir reden über Wochen, nicht über Monate." Angesichts der Kriegsgefahr in der Ukraine feilt die Bundesregierung an einer Strategie für diesen Fall. Der Krisengewinner in dem Szenario: Katar.

Gas: Bei Engpässen würden Katar und die USA einspringen

Das Emirat sitzt auf dem größten Erdgasvorkommen der Welt und ist der führende Exporteur. Ein Mengenproblem gibt es nicht. Im Fokus stehen schon eher die Infrastruktur – die Hafenterminals, um das Gas zu verladen – und die Reaktionszeit. Denn: Ein Frachter ist tagelang unterwegs.

Seit dem Herbst eskaliert der Ukraine-Konflikt. So lange weiß man auch schon, dass die deutschen Erdgasspeicher nur etwa zu 45 Prozent gefüllt sind. In dieser Woche machte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) klar, dass sich so ein Engpass im nächsten Winter nicht wiederholen dürfe. "Das wäre wirklich fahrlässig." Momentan kann er nur hoffen, dass der Winter milde verläuft, dass eine Eskalation ausbleibt und dass Amerikaner und Kataris einspringen.

Katar: Emir sicherte schon Kanzlerin Merkel Hilfe zu

Genau das ist offenbar der Plan. Laut "Handelsblatt" arbeiten beide Staaten an einem Modell, um mit Europa ins Geschäft zu kommen. Der Emir von Katar, Scheich Tamin Al Thani, reise demnächst eigens in die USA, um sich mit Präsident Joe Biden zu beraten. Angeblich hat der Emir am 6. November 2021 bei einem Telefonat mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zugesagt, für Deutschlands Versorgungssicherheit mit Gas einzustehen.

Kemfert hält es für realistisch, "dass mit Flüssiggas für eine bestimmte Zeit eingesprungen wird". Viele europäische Länder hätten ihre Verladeterminals ausgebaut. Auch könne Europa über Pipeline-Routen versorgt werden, die Gas aus anderen Ländern als Russland lieferten. Überdies gebe es viele Speicher, "die nicht überall so leer wie in Deutschland sind." Auch interessant: Wie russische Medien über den Ukraine-Konflikt berichten

Entscheidend ist für die Energieexpertin, dass alle Kapazitäten und Speicher genutzt werden. Für beides brauche man eine gute europäische Kooperation, "dann ist die Gasversorgung gesichert".

Katar: Das Emirat wird im Westen mit anderen Augen gesehen

Lange Zeit hatte es Flüssiggas auf dem europäischen Markt nicht leicht. Es ist schon wegen der Transportkosten teurer. Außerdem wurden umweltpolitische Bedenken gegen die US-Förderpraxis laut, die Gewinnung von Gas durch Fracking. Das ist ein Verfahren, um Gas aus undurchlässigem Gestein zu lösen.

Die Ukraine-Krise schafft eine neue Situation – für Katar auch eine politische Aufwertung. Das Emirat war schon im Afghanistan-Konflikt sowohl bei der Vermittlung mit den Taliban als auch bei der Evakuierung von Flüchtlingen hilfreich gewesen, was im Westen aufmerksam registriert wurde.

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Im Kriegsfall dürfte die Pipeline Nord Stream 2 gar nicht erst ans Netz gehen. Es ist jedenfalls eine Option. "Nichts ist vom Tisch", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in CNN.

Offen ist, ob Russland bei einem Konflikt den Gashahn zudreht oder die Europäer im Zuge eines Boykotts von sich aus darauf verzichten. Die Amerikaner nehmen die Kriegsgefahr sehr ernst. Präsident Biden sagte nach Angaben des Weißen Hauses in einem Telefonat mit seinem ukrainischen Amtspartner Wolodymyr Selenskyi, dass es eine "ausgeprägte Möglichkeit" einer Invasion gebe.