Erfurt. Punk, Garage-Rock: Die kompromisslose Band MC5 gilt als Pate gleich mehrerer Genres. Christian Werner über ihr wichtigstes Album „Kick out the Jams“.
Schlachtrufe haben sich unter Anhängern bestimmter Musikbands irgendwann etabliert. Fans von The Ramones skandierten gern „Gabba Gabba Hey“ oder „Hey Ho, let’s go“. Noch etwas früher dran waren MC5 mit ihrem „Kick out the Jams, Motherfucker”. Der nicht ganz jugendfreie Nachruf führte Ende der Sechzigerjahre sogar zu Konzertabbrüchen – die Gesetzeshüter ahndeten solcherart Kraftausdrücke wegen Störung des öffentlichen Friedens.
Die Band aus der Autostadt Detroit gilt als eine der wichtigsten Vorläufer des Punkrocks mit ihrem ungezügelten Stil und Aktivismus für linke Themen. Ihr Manager John Sinclair etwa gründet zusammen mit der Band die White Panther Party als Unterstützung der Black Panthers, einem teils radikal-revolutionär ausgerichteten Arm der Black-Power-Bewegung. Indes, den Begriff Punk gab es noch nicht, ebenso die Maßgaben des Genres: Songs mit wenigen Akkorden und einer Länge von unter drei Minuten.
MC5 sind wild, unberechenbar, zornig und Bilder stürmend
MC5 – kurz für Motor City Five – hat zwar das Wilde, das Unberechenbare, den Zorn und das Bilderstürmende, aber Songs mit Überlänge sind keine Seltenheit und die Einbeziehung anderer Stile und ausufernde Gitarren-Soli gehören zum Selbstverständnis der Band. „Starship“ etwa, der letzte Song ihres Debütalbums „Kick out the Jams“ ist mehr als acht Minuten lang, zitiert Psychedelic-Rock und verarbeitet Teile eines Stücks des Jazzmusikers Sun Ra. Oder „Motor City is burning“: Das Stück watet knietief im Blues. „I want you right now” hingegen ist beinharter Hardrock.
Die Geschichte ihre Plattenvertrags wird immer wieder gern erzählt: Als der Agent der Plattenfirma die Band das erste Mal live sieht, klärt er per Telefon mit seinem Vorgesetzen die Vertragsdetails und lässt die Musiker unterschreiben. Und fast im gleichen Atemzug nimmt er Iggy Pop und seine Stooges unter Vertrag: MC5 macht den Mann von der Plattenfirma auf die andere Band aus dem Pre-Punk-Universum aufmerksam.
Feedbackschleifen und kreischende Gitarren
Das Debütalbum von 1969 ist ein rauer Ritt durch Feedbackschleifen und kreischende Gitarren sowie einem Schlagzeugrhythmus, der sich fast überschlägt. Und – ungewöhnlich für den musikalischen Einstand einer Band – es ist ein Livealbum. Die beiden Produzent entscheiden sich, die acht Songs an zwei Abenden im Oktober 1968 im Grande Ballroom von Detroit mitzuschneiden. Wohl, weil sich die unverstellte Energie der Band so am besten konservieren lässt.
Punk-Pioniere MC5: Gitarrist Wayne Kramer ist tot
Die Unruhe, das Zappelige haben sie sich von The Who abgeschaut, jedoch entfesselter, weniger auf Melodie fokussiert, trotzdem verspielter, ausufernder, dazu ekstatisch und fieberwahnsinnig wie James Brown – ein anderes Vorbild der Gruppe. MC5 sind eine der ersten berühmten Garage-Rock-Bands.
Zwei Platten folgen, weniger erfolgreich, die Band löst sich 1971 auf. Die Gründungsmitglieder Gitarrist Wayne Kramer und Schlagzeuger Dennis „Machine Gun“ Thompson arbeiteten aktuell an einem vierten Album, das 2024 erscheinen sollte. Unklar ist, was damit wird. Wayne Kramer starb am 2. Februar 2024 mit 75 Jahren in Los Angeles.
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