Private und dienstliche Erlebnisse rund um das derzeit wichtigste Thema der Welt (16). Warum wir uns mal mit dem nachtaktiven Säugetier befassen sollten.

Dienstag, 31. März 2020: Oft wird die komische Operette in drei Akten von Johann Strauß um den Jahreswechsel gespielt: „Die Fledermaus.“ Gern zu Silvester. Versierte Theatergänger ulken deshalb häufig: Oh weh, oh graus, es spielt schon wieder mal die Fledermaus. In Thüringen und anderswo in Deutschland wird die Fledermaus gehegt, gepflegt und gehätschelt. Es gibt in Thüringen eine Fledermaus-Stiftung und natürlich führt das Umweltministerium eine rote Liste bedrohter Fledermausarten. Möglicherweise wird man sich aber im Zusammenhang mit der Verbreitung des Corona-Virus mal intensiver mit der Rolle des so possierlichen Tierchens auseinander setzen müssen. Alle aktuellen Infos im kostenfreien Corona-Liveblog.

In wissenschaftlichen Publikationen herrscht momentan die vorrangige Erkenntnis vor, dass das derzeit grassierende und todbringende Virus als Quelle Fledermäuse hat. In Fledermäusen hausen aber nicht nur Coronaviren, sondern auch die Erreger von Tollwut, Ebola und des Marburg-Fiebers. Die Fledermaus selbst scheint gegen diese modernen Krankheitsgeißeln der Menschheit immun zu sein.

OTZ-Chefredakteur Jörg Riebartsch
OTZ-Chefredakteur Jörg Riebartsch © Andreas Wetzel

Von der Fledermaus geht aus zwei Gründen eine große Gefahr aus. Zum einen hält sie sich gern in der Nähe von Menschen auf. Man merkt das beispielsweise, wenn sie abends in Gärten bei aufkommender Finsternis pfeilschnell über die Köpfe der Menschen zischt, die sich dort im eigenen Grün erholen wollen. Zudem kann eine Fledermaus weite Strecken zurücklegen, kommt also ganz schön rum, wie man es formulieren könnte.

Mit offenem Mund und einigermaßen großer Fassungslosigkeit kann man die Geschichte verfolgen, wer zuerst den Zusammenhang des neuartigen Coronavirus und der Fledermaus entdeckt hat. Man glaubt es kaum. Es waren chinesische Wissenschaftler in Wuhan. Ja, richtig. Das ist ausgerechnet die Provinz in der Volksrepublik, in der zuerst bei Menschen Corona festgestellt wurde. Wuhan! Die These, wonach Corona zuerst in Italien aufgetaucht sei und dann erst in China, gilt unter Wissenschaftlern mittlerweile als widerlegt.

Also: Im März 2019, vor etwa einem Jahr, haben Forscher der chinesischen Wissenschaftsakademie in Wuhan vor einer Entdeckung gewarnt. Sie erforschten bei Fledermäusen ein neuartiges Coronavirus und prophezeiten, dies könne in China eine Infektionswelle unter Menschen auslösen. Möglicherweise, warnten die Forscher, können das Virus sogar direkt und ohne Zwischenwirt von Fledermäusen auf Menschen übertragen werden. Die Tragik ist, dass dieser Forschungsbericht ganz offensichtlich nirgendwo ernst- oder wahrgenommen wurde. Auch nicht in Europa. Dort wurde ebenfalls vor etwa einem Jahr von den chinesischen Forschungsergebnissen berichtet, und zwar in einem schweizerischen Fachjournal.

Thüringens Fledermaus-Hüter sollten das Thema einmal aufgreifen – und zwar mit großer Ernsthaftigkeit.

Bleiben Sie gesund!

Sie wollen mir schreiben? Ich freu mich drauf unter chefredaktion@otz.de

Alle Beiträge zu Jörg Riebartschs Corona-Tagebuch finden Sie hier.

Lesen sie auch:

Lungenkrankheit in China: Neues Virus führt zu Ausbreitung

Corona-Krise: Italien sieht etwas Licht am Ende des Tunnels