Gera. Eine höchst amüsante Theaterpremiere wurde unter freiem Himmel in Gera gefeiert: Molières Komödie „Der eingebildet Kranke“.

Es ist ernüchternd, wie sehr der Mensch seinen Schwächen treu bleibt. Knapp 350 Jahre ist es her, da hat Frankreichs wohl bekanntester Komödiendichter Molière seinen Mitbürgern mit seiner spottlustigen Komödie „Der eingebildet Kranke“ den Spiegel vorgehalten, ihre Hypochondrie in einem amüsanten Spiel auf die Bühne gebracht.

Noch heute ist dieses Stück unsterblich, weil topaktuell. Das Bedürfnis vieler Menschen nach permanenter ärztlicher Überwachung ist noch immer groß und die Medizingläubigkeit weit verbreitet.

Das Geraer Theater hat diesen Klassiker der Weltliteratur nun in der Regie von Schauspieldirektor Manuel Kressin als spritziges Sommerspektakel unter freiem Himmel inszeniert – eine künstlerisch großartige und sehenswerte Aufführung in der Tradition der italienischen Commedia dell’Arte und inhaltlich eine Offenbarung, legte Molière seinen Figuren doch so schlaue Sätze wie „Die meisten Menschen sterben nicht an ihren Krankheiten, sondern an den Medikamenten“ in den Mund.

Der Hypochonder Argan (Thomas C. Zinke) befürchtet, dass er sehr schnell sterben würde, wenn er nicht permanent medizinisch untersucht wird. Genauestens befolgt er deshalb die überflüssigen und überteuerten Anordnungen seiner Ärzte, fügt sich hilflos den reinigenden Einläufen und beruhigenden Klistieren, lässt seine Exkremente und Körpersäfte akribisch untersuchen.

Inszeniert als unterhaltsame und zeitlose Komödie

In seinem dümmlichen Vertrauen auf die Kunst der Ärzte, die ihn in Wahrheit keineswegs heilen, sondern nur an ihm verdienen wollen, wird Argan vorgeführt. Alle außer ihm wissen, dass er nur der „eingebildet Kranke“ ist. Seine Ehefrau Béline (Nolundi Tschudi) indes hofft sogar auf sein baldiges Ende und ihr großes Erbe. Doch um bis zu seinem Ableben die zahllosen Zipperlein kostenlos behandeln zu können, hat Argan einen Plan: Die Vermählung seiner reizenden Tochter Angélique (wundervoll Alexandra Sagurna) mit dem jungen Mediziner Thomas (Sebastian Schlicht), Sohn des Arztes Monsieur Diafoirus (Manuel Struffolino). Allerdings ist Angélique in Cléante (Johannes Emmrich) verliebt, was zu emotionalen Ausbrüchen und allerlei unterhaltsamen Wortgefechten auf der Bühne führt.

Die pfiffige Hausangestellte Toinette (Mechthild Scrobanita), die eigentliche Strippenzieherin im Hause von Argan und mit einer gesunden Portion Mut und Verstand ausgestattet, muss es schließlich richten. Ihr zur Seite steht Argans Schwester Béraldine (Ines Buchmann), die eine völlig gegensätzliche und letztlich auch Molières Meinung zur Medizin vertritt: Man solle im Krankheitsfalle einfach entspannen und die Natur gewähren lassen, sie bringe von selbst alles wieder in Ordnung.

Manuel Kressin bringt den „Eingebildet Kranken“ als kurzweilige, äußerst unterhaltsame und zeitlose Komödie auf die Bühne. Durch ein Übermaß an Darstellung und viel Übertreibung arbeitete schon Molière einen anschaulichen Kontrast zur Natürlichkeit heraus. Genau darin liegt dann auch seine Komik, die Charaktertypen werden der Lächerlichkeit des Publikums preisgegeben. Kressin folgt diesem Prinzip, er überhöht, beispielsweise indem Monsieur Diafoirus seinen Sohn in Zwangsjacke und an der Kette zum Hause seiner Zukünftigen führt. Auch die Wahl der Kostüme (Gesine Pitzer) ist so zeitlos wie provokant und somit absolut stimmig für dieses Stück, in dem diverse Körpersäfte getrunken werden und in Rage auch mit Exkrementen geworfen wird. Es geht also hoch her auf der Bühne – die Darsteller sind in ihrem Element. Sie alle überdrehen ihre Charaktere bis aufs Maximum, was im Publikum bei der Premiere am Sonnabend zu vielen Lachern und langem Applaus führte. Doch keine Angst: Lachen heilt, was auch immer.

Makaber ist allerdings, dass die Premiere von „Le malade imaginaire“, so der Originaltitel, für den Meister die Letzte sein sollte. Bereits in der vierten Vorstellung, bei der er selbst die Hauptrolle spielte, erlitt Moliére einen Schwächeanfall. Wenige Stunden später verstarb er, noch kostümiert.

Weitere Aufführungen:

Wieder am 14.6., 21 Uhr; 15.6., 21 Uhr; 28.6., 21 Uhr; 5.7., 21 Uhr; 6.7., 21 Uhr; 7.7., 20 Uhr (bei Regen in der Bühne am Park)