Meiningen. Das Meininger Staatstheater besinnt sich auf seine Schönheit. Darin erstarren will es aber auch in der nächsten Spielzeit nicht

Tobias Rott ist seit September Schauspieldirektor am Meininger Staatstheater – und er ist immer noch begeistert, „dass wir leuchtturmmäßig mit diesem wunderbaren Palast mitten im Wald stehen!“

Karolin Loh ist erst seit November Verwaltungsdirektorin und lobt „dieses prächtige Haus“, das es nur eben „sichtbarer zu machen“ gelte.

Und Intendant Ansgar Haag, der am Mittwoch seine 15. Meininger Spielzeit präsentieren ließ, erklärte zum gedruckten Programmbuch, damit habe man „versucht, die Schönheit unseres Theaters etwas mehr zu dokumentieren“. Es gab wohl Nörgeleien im Publikum, dass man zuletzt zu nüchtern und kalt daher kam.

Gülden glänzend zeigt dieses Buch nun, hinter blauer Einbandmaske, das Portal des Hauses, auf das Theaterherzog Georg II. einst „Dem Volke zur Freude und Erhebung“ in Stein meißeln ließ. Das „dient uns weiterhin als Kompass der Planung“, schreibt Haag in seinem Vorwort.

Die Zuschauer folgen diesem Wechselspiel offenbar. Mehr als 155.000 Besucher in 530 Vorstellungen meldet das Haus fürs vergangene Kalenderjahr: Das sind 1200 mehr als im Jahr zuvor, bewegt sich „nahe unserem früheren Rekord“, so Haag, und beschert dem Theater immerhin 8,7 Prozent Mehreinnahmen.

So soll es weitergehen in und mit diesem schönen Haus, wünscht sich Karolin Loh, und weiß auch schon wie: „Kulturtourismus ist ein Megatrend“, lautet ihre Losung. Man probiert jetzt Reisepakete dafür aus.

Und doch spricht die nächste Saison durchaus nicht dafür, dass man in Schönheit zu erstarren gedenkt. Sowieso sei Theater, notierte Tobias Rott, „notwendig politisch, da es eine Haltung, eine Meinung sowohl zum Stück als auch zum Leben verlangt.“

Das betrifft wohl selbst das DonQuijote-Musical „Der Mann von La Mancha“, das laut Opernchefin Corinna Jarosch den Traum von einer Welt beschreibt, „wie sie sein sollte.“ Sein-und-Schein-Welten der Reichen und Schönen nimmt Paul Abrahams Operette „Märchen im Grand-Hotel“ aufs Korn: 1934 in Wien uraufgeführt, soeben erst in Mainz zur deutschen Erstaufführung gelangt.

„Der fliegende Holländer“ kommt auch nach Eisenach

Sie korrespondiert dann in Meiningen durchaus auch mit Carl Sternheims Komödie „Die Kassette“, die nicht nur bei der Uraufführung 1912 ein Skandal war und vom bürgerlichen Drang nach dem Geld erzählt.

Tobias Rott wird das ebenso inszenieren wie Ernst Tollers Tragödie „Hinkemann“ von 1923, geschrieben in der Festungshaft nach der Münchner Räterepublik. Darin kehrt einer entmannt aus dem Weltkrieg heim und meint: „Diese Zeit hat keine Seele. Ich habe kein Geschlecht. Ist da ein Unterschied?“

Mit Henrik Ibsens betrügerischerem Bankier „John Gabriel Borkman“ beginnt die Schauspielsaison. Augsburgs Intendant André Bücker, der jüngst Döblins „November 1918“ in Weimar ausbreitete, führt Regie.

„Gespenster“, ein finsteres Familiendrama des norwegischen Dramatikers Ibsen, brachte Georg II. 1886 in Meiningen zur deutschen Erstaufführung. Es kehrt nun als Opern-Uraufführung zurück: ein Auftragswerk für den norwegischen Komponisten Torstein Aagaard-Nilsen, das Ansgar Haag inszenieren will.

Puccinis letzte, vergleichsweise selten gespielte Oper „La Rondine“, eine Emanzipationsgeschichte als „lyrische Komödie“, ist ein weiterer bemerkenswerter Programmpunkt.

Er verlangt nach Eisenachs Ballett, das auch zwei neue eigene Abende nach Meiningen bringt. Haag spricht vom Erfolg der Sparte, die beim Publikum „Beliebtheit entwickelt“ habe.

Allerdings klaut ihm das zum Teil Orchesterdienste der Meininger Hofkapelle, sagt er unserer Zeitung, etwa bei Ravels „Boléro“ und Strawinskys „Petruschka“, aus denen Andris Plucis einen Abend choreografiert.

Weil Meiningen seinerseits aber „Eisenach auch nicht hängen lassen“ will, soll dort in der übernächsten Saison „Der fliegende Holländer“ zu erleben sein. Die Richard-Wagner-Inszenierung von Kay Metzger hat heute Abend in Ulm, wo er Intendant ist, Premiere; Meiningen übernimmt sie in einem Jahr als Koproduzent. Das Bühnenbild ist laut Haag so gebaut, dass es in verkleinerter Form auch ins Theater Eisenach passt.

Neben dem Ballett tritt von dort auch das Junge Schauspiel regelmäßig in Meiningen auf, nächste Saison unter anderem mit einer ollen Kamelle: Spartenchefin Christine Hofer inszeniert „Charleys Tante“.

Wir sind gespannt, welche jugendliche Frische dem abzuringen ist.