Gera. Das Stück „Acting“ in der Regie von Nanna Przetak ist der Höhepunkt des Projektes ¡Vorsicht Bildung!, das im Bundesprogramm „Demokratie leben“ gefördert wird.

Nach gut einer Stunde Spieldauer wird es dunkel in der Geraer Bühne im Park. Applaus brandet auf, das Publikum erhebt sich, zollt Anerkennung für die Leistung, die es gerade erleben durfte. Denn das Stück „Acting“, von Xavier Durringer geschrieben und in Gera in einer kürzeren Fassung gespielt, wurde von drei Gefangen aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hohenleuben und Samuel Merolt von der Theaterfabrik Gera gespielt.

Eine Inszenierung, die durch ihre inhaltliche Nähe und den ungewöhnlichen Darstellern besonders authentisch ist und deshalb das Publikum in den Vorstellungen am Mittwoch und Donnerstag bewegte. Denn jene, die Durringers Geschichte hier wiedergeben, wissen wovon sie sprechen – ihrem eigenen Alltag im Knast.

Zu den beiden Inhaftierten Horace (gespielt von Daniel S.) und Gepetto (Claus D. ) kommt ein neuer Häftling in die Zelle: der Schauspieler Robert (Samuel Merolt), ein sensibler, psychisch angegriffener Feingeist, der die Schattenseiten seines Berufes erleben musste und zum Mörder wurde. Doch sein Mitinsasse Gepetto ist fasziniert vom Glanz des Berufs und überredet Robert, ihn in der Schauspielkunst zu unterrichten. Fortan wird die Zelle zur Bühne und die beiden diskutieren über die Schauspielerei und das Leben. Der schlichte Betrüger Gepetto wird zum perfekten Hamlet-Interpreten und sein verzweifelter Lehrer Robert zum Selbstmörder.

Xavier Durringer lässt in seinem Stück zwei Welten aufeinandertreffen. Shakespeare trifft Realität, Kunst trifft Wahrheit, naiv-lebendiger Maurersohn begegnet frustriertem Schauspieler. Das Stück „Acting“ in der Regie von Nanna Przetak ist der Höhepunkt des Projektes ¡Vorsicht Bildung!, das im Bundesprogramm „Demokratie leben“ gefördert wird. Drei Wochen lange hatte Peter Przetak, Leiter der Theaterfabrik Gera in der JVA mit den Häftlingen gearbeitet, die letzten beiden Tage direkt auf der Bühne am Park (Ausstattung: Birgit Böttger/Nanna Przetak).

Im Vorfeld hatten zudem Workshops mit Schülern aus der Ostschule und der 4. Regelschule Gera in der Theaterfabrik stattgefunden, die sich auch mit den Themen des Stückes auseinandersetzten. Auch hier wurden also Begegnungen geschaffen und unbequeme Diskussionen geführt. In der Einführung zum Stück wirft Peter Przetak die Fragen auf, in wieweit unser Bildungssystem noch zeitgemäß ist und wie der Spaltung der Gesellschaft entgegengewirkt werden kann. „Jedes Kind ist gleich wertvoll, unvergleichlich und hochbegabt. Wenn wir dieses Mantra als soziale Gemeinschaft in Taten umsetzen, wird die Arbeitslosenquote sinken, weniger Menschen werden straffällig oder geraten in den Drogensumpf“, appelliert Przetak.

All diese Themen werden beispielhaft sowohl im Stück angesprochen als auch in der offenen Diskussionsrunde mit Zuschauern und Darstellern nach der Vorstellung. Sympathisch und geduldig beantworteten die drei Gefangenen die Fragen: Wie sieht eure Zukunft nach dem Knast aus? Wie geht es euch auf der Bühne? Wie ist das Leben in der JVA?