Das Mädchen, das nach der Lieblingsblume seiner Mutter benannt ist, dem Löwenmäulchen, taucht ein in die magische Realität, die mit der Menschenwelt verwoben ist.

Klein, frech, mutig: Snapdragon Bloom, kurz: Snaps, fordert die Welt heraus. Mit ihrer Kleidung, ihren Vorlieben und ihrer kompromisslosen Art bahnt sich Löwenmäulchen (das wäre ihr deutscher Name) den Weg durch ihr Leben als Schlüsselkind, das in einem Wohnwagenpark mit Mutter und dreibeinigem Hund lebt. Andere Menschen braucht sie dazu nicht, eigentlich.

Bis sie auf Jacks stößt, eine taffe alte Frau, die allein im Wald lebt, Skelette überfahrener Tiere aufbereitet und im Internet verkauft. Sie ist eine Hexe, raunen die Leute. So ein Quatsch, sie ist einfach nur seltsam, verkündet Snaps. Bis unerklärliche Dinge geschehen, durch die Autorin und Zeichnerin Kat Leyh uns wieder an den Ausgangpunkt führt, mit einem kleinen, aber feinen Unterschied: Vielleicht sind Hexen ganz anders, als wir denken? Und unsere Welt von einer anderen durchdrungen, die aber nicht allen zugänglich ist?

Good Boy trägt seinen Namen zurecht. Der dreibeinige Hund ist Snaps bester Freund.
Good Boy trägt seinen Namen zurecht. Der dreibeinige Hund ist Snaps bester Freund. © Reprodukt-Verlag | Kat Leyh

Das macht Leyh des Öfteren, stellt die Weltsicht ihrer Figuren und damit auch ihrer Leser:innen in Frage in ihrer Geschichte über Angst, Mut und Queerness. Wer Mut zeigt, kennt auch die Angst, wie Snaps. Wer queer ist wie Lou, Snaps Schulfreund, der zur entzückenden Lulu wird, und Jacks, deren große Liebe eine Schwarze Frau war, weiß unter Umständen, wie schwer es ist, das so zu leben, wie es Kat Leyh in ihrer Geschichte möglich macht: als schlicht eine Facette einer vielfältigen Persönlichkeit. Leyh fängt alle in einer gütigen, großzügigen und vor allem fröhlichen Gemeinschaft auf – die meist witzigen Familienszenen sind kleine Oasen zum Durchatmen in einem so wilden wie aberwitzigen Abenteuer.

Bei Jacks, der Hexe (oder ist sie doch keine?) lernt Snapdragon, wie Tiere, die auf der Straße überfahren wurden, wieder zu Ehren kommen.
Bei Jacks, der Hexe (oder ist sie doch keine?) lernt Snapdragon, wie Tiere, die auf der Straße überfahren wurden, wieder zu Ehren kommen. © Reprodukt-Verlag | Kat Leyh

Den Grenzgängen der Figuren entspricht der Zeichenstil ihrer Schöpferin: Sie lässt ihre Motive durchgängig aus den Rahmen der Bildfolgen fallen, verbindet diese durch Sprechblasen, wirft Snaps und ihre Gefährten aus ihrer hellen Welt mit Knallfarben in die blau-grüne Dunkelheit der magischen Realität. Sie ist sparsam mit Details – sie treffen umso genauer und härter, wo sie sich anbieten.

Wie angegossen passt der Stil zum wilden Ritt der Handlung, der die Leserin begeistert zurücklässt. Wo klassische Comic-Superhelden nurmehr fader Abklatsch ihrer selbst in unzähligen Neuauflagen sind, kreieren Künstler:innen wie die Kanadierin Kat Leyh in jedem Sinne fantastische neue Welten.

Kat Leyh (Text, Illu., Lett.), Matthias Wieland (Übers.), Kathrin Liehr (Lettering): Snapdragon. Reprodukt, 240 Seiten, 20 Euro, ab 10
Kat Leyh (Text, Illu., Lett.), Matthias Wieland (Übers.), Kathrin Liehr (Lettering): Snapdragon. Reprodukt, 240 Seiten, 20 Euro, ab 10 © Reprodukt-Verlag | Kat Leyh