Pößneck. Ausstellungs-Doppelprojekt „Undogmatisch modern“ eröffnet

In Pößneck wurde gestern Abend mit einem Festakt im Bilke-Saal das Ausstellungs-Doppelprojekt „Undogmatisch modern“ eröffnet, in dessen Mittelpunkt das bau­kulturelle Erbe des Reformarchitekten Heinrich Tessenow (1876-1950) steht. Interessierte werden bis 10. November einerseits ins Stadtmuseum eingeladen, wo die Sonderschau „Handwerk und Kleinstadt. Architektur der Moderne in Pößneck 1920 bis 1923“ Grundlegendes zu den Tessenowsiedlungen in Pößneck und darüber hinaus vermittelt. Andererseits ist die Schauwohnung in der Neustädter Straße 101, einem Tessenowhaus, zu empfehlen, die unmittelbar Eindrücke der Wohnkultur um 1920 vermittelt. Das Projekt ist ein Gemeinschaftswerk der Stadt Pößneck, der Heinrich-Tessenow-Gesellschaft mit Sitz in Hamburg und des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie. Großer Rahmen ist das thüringische Bauhausjahr 2019.

Festredner wie Elke Harjes-Ecker, Abteilungsleiterin Kultur in der Thüringer Staatskanzlei, Jürgen Padberg, Vorstandsvorsitzender der Heinrich-Tessenow-Gesellschaft, und Holger Reinhardt, Landeskonservator im Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege, gratulierten der Stadt zum Mut, einem weit­gehend vergessenen Baumeister die verdiente Würdigung zuteil kommen zu lassen und sich eines von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen architektonischen Vermächtnisses anzunehmen. „Vieles ist geschafft, Einiges haben wir noch vor“, sagte zur Zufriedenheit der Gäste die Kulturamtsleiterin Julia Dünkel, die für das Pößnecker Tessenow­jahr verantwortlich zeichnet, auch Grenzüberschreitendes sei in Arbeit.

Was ist das Besondere an den Tessenowhäusern? Diese Frage – die sich auch Pößnecker stellen – hätte dem Architekten gefallen, sagte Carsten Liesenberg, Experte der städtebaulichen Denkmalpflege, in seinem Festvortrag, in welchem er die Aktualität des Tessenowschen Wirkens herausstrich. So habe die Ansicht des Geehrten, dass die Kleinstadt mit 15.000 bis 20.000 Einwohnern die beste Siedlungsform für die Bedürfnisse der meisten Menschen sei, heute noch Gültigkeit. Auch der Gedanke der Wohnküche als zentraler Aufenthaltsraum – im Erdgeschoss möglichst in Verbindung zu einem Nutzgarten – gehe auf Tessenow zurück. Nicht zuletzt erinnerte Liesenberg daran, dass Tessenows Gebäude Anfang der 1920er als „Puppenhäuser“ und „verschandelnde Vogelbauer“ geschmäht wurden. 80 Objekte hatte er für Pößneck geplant, 75 wurden errichtet und 74 gibt es heute noch – nun als ein Aushängeschild der Stadt.