Renthendorf. Im August kommenden Jahres soll in Renthendorf ein neues Museum eröffnen. Die Sanierung des Ensembles ist fast geschafft.

„Was die Bauleute und Restauratoren in den vergangenen Jahren hier geleistet haben, ist wirklich unglaublich. Sie haben ein Gebäude in allerbestem Zustand hinterlassen“, schwärmt Jochen Süss über das historische Brehm-Haus in Renthendorf, dessen Leiter er seit 2012 ist.

Sechs Jahre hat insbesondere er um dieses Haus gekämpft, ist nicht müde geworden, Gelder einzuwerben, Institutionen und Enthusiasten mit ins Boot zu holen, ein Konzept zu entwickeln, das aus der einstigen Brehm-Gedenkstätte ein zukunftsfähiges Museum macht. Der erste große Schritt dafür ist getan, die äußere Hülle saniert und rekonstruiert. „Zu 97 Prozent ist das Gebäude fertiggestellt“, sagt Süss.

Was noch fehlt, ist die Tapete in den verbleibenden Räumen im Obergeschoss. In vier Räumen ließen sich unter mehreren Zeitungsschichten und Sauerkrautplatten oder hinter Fußbodenleisten die originalen Tapeten aus der Brehm-Zeit rekonstruieren – zwei- bis vierfarbige wunderschöne Drucke.

Auf Grundlage der Reste hat der einzige noch verbliebene Formstechmeister Deutschlands, Hans Joachim Frindte aus Mühlhausen, sogenannte Modeln hergestellt, mit denen die Restauratorinnen Carina Schluckebier und Beatrix Kästner die alte Tapete der Brehms originalgetreu nachdrucken oder mit Schablonen auftupfen konnten. Monatelang, in größter Präzision.

In den Neubau soll die Bibliothek einziehen

Alles wurde zudem genau protokolliert und für die Nachwelt erhalten, auch die Zeitung aus dem Jahr 1863, die man zur Bauzeit unter die Tapete auf den Putz geklebt hatte. In jedem Zimmer gibt es kleine „Fenster“, die noch einen Blick auf die alten Tapeten erlauben. Also ein Blick in jene Zeit vor 150 Jahren, als Alfred Brehms Mutter Bertha nach dem Tod ihres Mannes, dem Pfarrer und Ornithologe Christian Ludwig Brehm, mit den Kindern das obere Haus bezog. „Wir haben nun diese Räume wieder in den Zustand ihrer Bauzeit versetzen können“, freut sich Jochen Süss.

Konzept der geplanten Nebengebäude: Im Vordergrund die moderne Anmutung des früheren scheunenartigen Gebäudes mit der Verbindung zum „Waschhaus“ von Frau Brehm. Grafik: Architekturbüro Müller und Lehmann
Konzept der geplanten Nebengebäude: Im Vordergrund die moderne Anmutung des früheren scheunenartigen Gebäudes mit der Verbindung zum „Waschhaus“ von Frau Brehm. Grafik: Architekturbüro Müller und Lehmann © zgt

Jetzt bleibt ihm ein reichliches Jahr Zeit, das Innere auch mit Leben zu füllen. Im August 2020 soll das neue Brehm-Museum eröffnen. Mit Philipp Bürger aus Köln ist ein hervorragender Kurator gefunden worden, ebenso wie ein Berliner Gestalterbüro, das die neue Ausstellung konzipiert. Gerade erst hat der Freistatt für den Aufbau 620.000 Euro bewilligt. Ein Kuratorium ist gegründet, das den Weg der Exponate von der Idee bis in die Vitrine begleitet. Denn mit dem neuen, modernen Museum will Jochen Süss mehr als „nur“ an Alfred Brehm (1829-1884) erinnern, der mit seinem „Tierleben“ einen internationalen Bestseller verfasste, und an seinen Vater Christian Ludwig (1787-1864), dessen Vogelpräparate unter anderem auch im Naturkundemuseum in New York ausgestellt werden. Mehr als 9000 heimische, akribisch präparierte Vögel, umfasste letztlich die Sammlung des „Vogelpastors“, doch seine Nachfahren verkauften diese später nach London, von wo aus sie nach New York gelangten. Insgesamt 2500 Exemplare kamen wieder zurück nach Bonn. Nur 13 verblieben in Renthendorf.

In dem neuen Museum soll aber nicht nur das originale Inventar Platz finden, sondern vor allem auch die Beziehungen zwischen Tier und Mensch dargestellt werden. Und geht es nach Jochen Süss, soll noch ein moderner Erweiterungsbau dazukommen, der der Kubatur der alten Scheune und des Waschhauses von Frau Brehm folgt. Erste Entwürfe gibt bereits.

In dem Bau soll dann Brehms Bibliothek aufgenommen werden – sowie die mehr als 2300 erhaltenen Dokumente und Handschriften. Aus den Aufzeichnungen von damals geht zum einen hervor, wo und wie die beiden in der nahen Umgebung Tiere beobachteten, Vögel fingen und präparierten. Sie beschrieben viele Arten und Unterarten und verfassten Grundlagen für den Naturschutz. Bis heute ist Christian Ludwig Brehms Sammlungsarbeit für die Biodiversitätsforschung von großer Bedeutung und kann zum Beispiel der Erforschung der Artkonstanz im Verlauf der Evolution dienen. „Deshalb soll auch wissenschaftliches Arbeiten hier an diesem authentischen Ort möglich sein“, wünscht sich Süss. Denn noch immer ist vieles zum Leben und Wirken der beiden Brehms unbekannt. Was noch aussteht, ist die Finanzierung des Anbaus. Doch auch darum will Jochen Süss weiter kämpfen. Hartnäckig ist er, dass hat er in den zurückliegenden Jahren oft genug bewiesen. Süss studierte Biologie, hatte sonst aber mit Brehm nichts weiter zu tun. Er promovierte über Grippe-Viren, habilitierte über Zecken und leitete nach der Wiedervereinigung in Jena das dort ansässige nationale Referenzzentrum für Krankheiten, die durch Zecken übertragen werden. Nach seiner Pensionierung suchte Süss eine sinnstiftende Beschäftigung und stieß auf die damals wegen Baufälligkeit und Geldmangels geschlossene Gedenkstätte in Renthendorf im Südosten des Saale-Holzland-Kreises. Der Giebel drohte dort einzustürzen, der Keller war voller Schlamm, die Wände hatten Risse.

Doch Jochen Süß stellte sich der Aufgabe, begeisterte eine ganze Region für sein Projekt und konnte schließlich die Hermann-Reemtsma-Stiftung mit ins Boot holen, die vier Jahre lang die Eigenanteile stellte, die Süss brauchte, damit überhaupt öffentliche Fördermittel fließen.

Heute erstrahlt das Haus innen wie außen in neuem alten Glanz. Nach der Grundsicherung und Trockenlegung des Gebäudes, der Dacherneuerung und der originalgetreu wiederhergestellten Fenster, der umweltfreundlichen Heizungsanlage, der neuen Toiletten für die Besucher und nach 2300 ausgetauschten Ziegelsteinen konnten die Restauratoren und Handwerker nun also auch beim Inventar und den Innenräumen Vollzug melden.

Und mittlerweile befinden sich selbst die Außenanlagen schon zu zwei Dritteln in dem Zustand, wie sie Brehm verlassen hat. Auf Basis alter Aufnahmen hat man den breiten Weg konstruiert.

Die alten Rosensorten sollen wieder angepflanzt werden, die Brehm so liebte und deren Anschaffung noch mit alten Rechnungen zu belegen sind. Auch Sandkraut, Weißklee, Gold- und Silberdisteln, Klee und Sonnenröschen sollen den Vorgarten wie einst wieder in eine blühende Oase verwandeln. Und die Lieblingsplätze der Familie im Garten, an denen man einst saß und Kaffee trank, auch die sind wieder geschaffen.

Das ganze Ensemble mit dem Obstgarten nebenan und dem Küchengarten, wo einst alles wuchs, was die Köchin brauchte, macht diesen Ort zu einem ganz besonderen, an dem sich hoffentlich bald viele kleine und große Naturfreunde aus nah und fern einfinden werden. Eine kleine Gruppe, bestehend aus zwölf Brehms-Naturkindern, kann man hier übrigens schon eifrig werkeln sehen.