Greiz. Bis zum 12. August heißt es im Unteren Schloss in Greiz: „Das Erbe der Buckelapotheker – Kräuter aus dem Vogtland“.

Wer weiß heutzutage, dass die Mistel nicht nur als Weihnachtsdekoration schön anzusehen ist, sondern als Tee und Pulver auch in der Krebstherapie eingesetzt wird, blutzucker- und blutdrucksenkend wirkt, den Herzmuskel stärkt und sogar bei chronischem Durchfall und Heuschnupfen helfen kann?

Nun, das Wissen über die heilende und wohltuende Wirkung vieler Kräuter ist leider in kollektive Vergessenheit geraten oder gehört zumindest nicht mehr zu unserem Allgemeinwissen. Dabei wäre deren Anwendung ziemlich kostengünstig und absolut praktisch, helfen doch Heilpflanzen schon seit Menschengedenken, Krankheiten vorzubeugen, zu lindern und zu heilen.

Vom 16. Jahrhundert und noch bis ins 20. hinein hatten Naturheilmittel, sogenannte Olitäten, einen anderen Stellenwert in Mitteleuropa. „Und Thüringen spielte dabei eine entscheidende Rolle“, erklärt Museumsleiter Rainer Koch, der dem Thema „Das Erbe der Buckelapotheker“ im Unteren Schloss in Greiz eine neue Ausstellung widmet. Am Sonntag um 11 Uhr wird diese eröffnet und ist bis 12. August zu sehen. Jene Buckelapotheker waren es nämlich, die das Wissen um Heilkräuter, ihre Dosierung und Einsatzmöglichkeiten hatten. Auf dem Rücken trugen sie ein Holzgestell, ein Reff, das vollbepackt war mit Glas- und Tongefäßchen, Holzschachteln, Tinkturen und Salben. So zogen sie, mit Dreispitz, braunem Schoßrock und roter Weste gut zu erkennen, von Hof zu Hof und Stadt zu Stadt. Es gab sogar eine strikte Gebietstrennung der Buckelapotheker, um Streit zu vermeiden. Und manche, so weiß Rainer Koch weiter zu erzählen, liefen mit ihrer Ware sogar bis in die Schweiz, nach Polen, Amsterdam oder Haarlem. „Die Thüringer Buckelapotheker hatten einen guten Ruf, und einige gelangten durch die große Nachfrage zu Wohlstand“, so Rainer Koch.

Dazu kam, dass die regional gefertigten grünen Flaschen aus Waldglas – die Färbung entstand durch Eisenoxid in den hiesigen Quarzsanden – sich als vorteilhaft erwiesen. Die Grünfärbung absorbierte das UV-Licht und ließ den Inhalt der Flasche lange frisch bleiben und somit auch die Wirksamkeit des Mittels deutlich erhöhen.

Das Kräutersammeln und Verarbeiten hat hierzulande durchaus Tradition, denn schon früher war ein wichtiges Zentrum der Buckelapotheker das Thüringer Schiefergebirge. Um 1750 zählte man für das Amt Königsee über 350 Olitätenhändler, deren Wirken natürlich auch bis in das Vogtland und somit bis nach Greiz ausstrahlte.

Doch die neue Ausstellung konzentriert sich hauptsächlich auf die vielen Kräuter, die hierzulande an Feld- und Waldrändern, auf Wiesen und an Bächen wachsen. Sie soll wieder vermitteln, wo Baldrian, Ringelblume, Majoran, Gänsefinger- und Johanneskraut, Beinwell, Borretsch und Co. zu finden sind, und wie man sie einsetzen kann. Denn das alte Wissen um Olitäten erlebt durchaus wieder eine Renaissance und wird heute von Kräuterfrauen und -männern gepflegt, die durch Beratungen, Lehrgänge und Seminare dieses Wissen weitergeben. Auch an der aktuellen Ausstellung haben zwei von ihnen, Cornelia Seidel aus Greiz und Elisabeth Ruckdeschel aus Gefrees, mitgewirkt.

Und vielleicht wird sich der eine oder andere Besucher die Erkenntnis mit nach Hause nehmen, alte Himbeer- und Brombeerblätter doch nicht auf den Kompost zu werfen, sondern Tee daraus zuzubereiten. Die Einsatzgebiete für heimische Kräuter im Alltag sind unglaublich vielfältig – auch das möchte die aktuelle Ausstellung vermitteln.

Museum geöffnet: dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr