Berlin. Bei “Anne Will“ verteidigte Wagenknecht ihre Sicht auf den Ukraine-Krieg – das war nicht so neu. In einer Sache hatte sie aber Recht.

Tut sie’s oder tut sie es nicht? Sahra Wagenknecht spielt seit Monaten ein heikles Spiel um die Gründung einer neuen Partei. Der Schritt könnte die politische Landschaft verändern. Für die Linke drohte dann möglicherweise das endgültige Aus, die AfD könnte von einer linkspopulistischen Kraft zumindest unter Druck gesetzt werden.

Da passte es gut ins Bild, dass Wagenknecht bei "Anne Will" auftrat – und das ausgerechnet zu einem Thema, bei dem die Linke ohnehin gern mit kontroversen Thesen auffällt. "Mühsame Offensive, ferner Frieden – Braucht die Ukraine noch mehr Unterstützung?", war die Sendung überschrieben.

"Anne Will" – Das waren die Gäste:

  • Michael Roth (SPD): Mitglied des Deutschen Bundestages und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses
  • Roderich Kiesewetter (CDU): Mitglied des Deutschen Bundestages und Oberst a.D.
  • Sahra Wagenknecht (Die Linke): Mitglied des Deutschen Bundestages
  • Karl Schlögel: Historiker und Osteuropa-Experte
  • Rieke Havertz: Internationale Korrespondentin für "ZEIT ONLINE"

Wagenknecht nennt Begründung für Putins Krieg

Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass Sahra Wagenknecht kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine schon einmal bei "Anne Will" gesessen hatte. Ihre These damals: eine Invasion wird es nicht geben, weil das nicht in Wladimir Putins Interesse liege. Ihre Fehleinschätzung hat Wagenknecht schnell eingeräumt, sie tat das auch in der Sendung wieder.

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Schnell zeigte sich allerdings, dass sich an Wagenknechts grundsätzlicher Haltung nichts geändert hat. In der Debatte kritisierte sie das Vorgehen Putins zwar durchaus. Zugleich benannte sie aber auch angebliche Gründe: "Das ist ein geostrategischer Krieg, Russland will nicht, dass in der Ukraine amerikanische Soldaten stationiert werden", sagte Wagenknecht.

Sahra Wagenknecht argumentiert bei
Sahra Wagenknecht argumentiert bei "Anne Will", dass jedes Waffensystem als Gamechanger verkauft wurde. © NDR/Wolfgang Borrs | NDR/Wolfgang Borrs

Michael Roth: "Er will die Sowjetunion aufleben lassen"

Man kann vermuten, dass damit tatsächlich ein Teil von Putins Motivation beschrieben ist. Allerdings blendete Wagenknecht weitere wichtige Aspekte kurzerhand aus. "Es gibt Kräfte in Russland, die wollen nicht akzeptieren, dass andere Länder ihren Weg gehen", sagte der Historiker Karl Schlögel. Und empfahl Wagenknecht, die Ukraine einmal zu besuchen, was diese ablehnte, weil der frühere ukrainische Botschafter Andrij Melnyk eine "Morddrohung" gegen sie ausgesprochen habe.

Unterstützung bekam Schlögel von Michael Roth. Es gehe Putin nicht um einen einzelnen Krieg, sagte der SPD-Außenpolitiker. Wenn Russland kein Einhalt geboten werde, werde Putin versuchen, sich weitere Staaten einzuverleiben. "Er will die Sowjetunion unter neuen Vorzeichen aufleben lassen."

Welches Signal sendete ein fragiler Frieden?

Aus dieser Beschreibung von Putins Motivation ergaben sich Probleme für Sahra Wagenknechts weitere Argumentation. Statt immer neue Waffen zu liefern, müsse man endlich verhandeln, forderte die Linke – auch unter Verweis auf das tägliche Sterben an der Front.

Was zunächst plausibel klingt, relativiert sich schnell, wenn man sich die besagte Motivation Putins vor Augen führt. Denn wenn es dem russischen Präsidenten nicht nur um eine möglichst neutrale Ukraine geht, sondern er vor allem imperialistische Ziele verfolgt: Wie lang würde ein Frieden wohl halten, sofern er überhaupt geschlossen werden könnte? Und welche Schlüsse würden andere Staaten ziehen, die einen Angriffskrieg erwägen? Etwa China, das auf Taiwan schaut.

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Schon der Leopard galt als Gamechanger

In anderer Hinsicht hatte Wagenknecht aber durchaus einen Punkt. "Jedes Waffensystem wurde uns als Gamechanger verkauft", kritisierte die Linke mit Blick auf die Debatte um Taurus-Marschflugkörper. Das sei schon beim Leopard-Kampfpanzer so gewesen.

"Es wurden auch viel zu wenig geliefert", sagte dazu der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Auch das stimmte, und doch: Die These, dass Waffen alleine am Ende zu einem Erfolg der Ukraine führen werden, muss sich erst noch beweisen.

Das Fazit des Abends

Diese Ausgabe von "Anne Will" gab einen Vorgeschmack darauf, wie es sein könnte, falls Sahra Wagenknecht erfolgreich eine neue Partei gründete. Man würde sie dann wohl wieder häufiger in Talkshows sehen. Das muss nichts Schlechtes sein, schließlich repräsentiert Wagenknecht Standpunkte, die ein Teil der Bevölkerung teilt.

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Die große Frage ist allerdings: Wie damit umgehen? Anne Will tat das meist sachlich, was gut war, weil so die Probleme in Wagenknechts Argumentation offenbar wurden. An einer Stelle aber wurde die Gastgeberin moralisch: "Finden Sie das denn nicht furchtbar, Frau Wagenknecht?", fragte Will, als Wagenknecht darauf hinwies, dass Putin einfach mehr Soldaten an die Front schicken könne, als die Ukraine. "Ich beschreibe doch nur", antwortete Wagenknecht. So stellt man Populisten nicht.

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