Freiburg. Shahrzad Enderle hilft geflüchteten Frauen, unabhängig zu werden – nun wird sie dafür mit der „Goldenen Bild der Frau“ ausgezeichnet.

Wenn Shahrzad Enderle auf dem Sattel sitzt, ist sie glücklich. Wann immer sie kann, schwingt sich die Freiburgerin auf ihr Rennrad und radelt zusammen mit ihrem Mann durch den Schwarzwald – „ich genieße das sehr“, sagt die 34-Jährige.

Das Radfahren bedeutet Enderle so viel, dass sie es sich zur Aufgabe gemacht hat, anderen zu zeigen, wie es richtig funktioniert. Dafür wird sie nun mit der „Goldenen Bild der Frau“ ausgezeichnet.

Enderle hat vor fünf Jahren den Verein „Bike Bridge“ gegründet, der geflüchteten Frauen das Fahrradfahren beibringt. Denn viele Frauen, die nach Deutschland kommen, haben das in ihren Heimatländern nie gelernt. Weil das Radfahren dort nicht so weit verbreitet ist. Oder weil es ihnen verboten wurde. Auch interessant: Pannenhilfe für Fahrräder und E-Bikes - Alternativen zum ADAC

Fahrradfahren für die Selbstständigkeit

„Ich war selbst überrascht, wie groß der Bedarf ist“, sagt Enderle, die die Idee zum Projekt hatte, als sie 2015 eine Freiburger Flüchtlingsunterkunft besuchte. Sie habe „einfach helfen“ wollen, erzählt sie – und sah, wie die Frauen drinnen hockten, während die Männer unterwegs waren. „Ich wollte ihnen zu mehr Mobilität verhelfen“, so Enderle.

„Frauen mit Fluchterfahrung“, wie sie es ausdrückt, hätten häufig keinen Kontakt zur lokalen Bevölkerung. „Alle Wege zur Arbeit oder zum Einkaufen müssen sie zu Fuß absolvieren. Sobald sie Radfahren können, sind sie nicht mehr davon abhängig, dass ihre Männer sie mit dem Auto irgendwo hinbringen.“

Shahrzad Enderle (l.) ist eine der Gründerinnen des Vereins „Bike Bridge“. Sie bringt Frauen das Radfahren bei.
Shahrzad Enderle (l.) ist eine der Gründerinnen des Vereins „Bike Bridge“. Sie bringt Frauen das Radfahren bei. © Bild der Frau / Bernd Hanselmann

Also rief sie mit zwei weiteren Frauen „Bike Bridge“ (Fahrradbrücke) ins Leben. Die Nachfrage ist groß: Der Verein ist mittlerweile in acht Städten aktiv, unter anderem in Berlin, Hamburg, Köln und Leipzig. Mehr als 700 Frauen habe man helfen können, sagt Enderle, die Wartelisten seien voll. Ein Kurs dauert acht Wochen, geschult wird in Theorie und Praxis.

Die Frauen kommen aus Syrien und dem Irak, aus Afghanistan und der Türkei, aus Afrika und aus Südamerika. Enderle legt indes Wert darauf, dass das Angebot allen Frauen offen steht. „Wir hatten mal drei ältere deutsche Damen in einem Kurs, die das Radfahren in ihrer Kindheit nie gelernt haben. Auch denen konnten wir helfen.“ Lesen Sie hier:Das sind die spannendsten Technik-Trends beim Fahrrad

„Goldene Bild der Frau“ wird in Hamburg verliehen

Die „Goldene Bild der Frau“ wird am Mittwoch (9. November) in Hamburg von der „Bild der Frau“ verliehen – einem Titel der FUNKE Mediengruppe, zu der auch diese Redaktion gehört. Der Preis zeichnet bereits zum 15. Mal fünf „Heldinnen des Alltags“ für ihr soziales Engagement aus. Darunter Shahrzad Enderle.

Shahrzad Enderle
Shahrzad Enderle © GABO für Bild der Frau

Sie weiß aus eigener Erfahrung, dass Radfahren wichtig sein kann fürs Selbstwertgefühl. Im Iran, wo sie aufgewachsen ist, verbiete die Regierung Frauen das Radeln in der Öffentlichkeit. Sie selbst habe sich jedoch nie daran gehalten: „Ich hatte zum Glück die Unterstützung meiner Familie und habe das Fahrradfahren mit fünf Jahren gelernt. Als Jugendliche war ich trotz des Verbots häufig mit dem Rad unterwegs – ohne Kopftuch, mit kurzen Haaren, T-Shirt und Hose, damit ich wirke wie ein Junge.“

2010 zog sie nach Deutschland, um in Konstanz Sportsoziologie zu studieren. Zwei Jahre später ging sie für die Promotion nach Freiburg. Dort hat sie ihr Glück gefunden. Ein Auto besitzt sie nicht. Braucht sie nicht, sagt Enderle: „Ich unternehme alles mit dem Fahrrad.“ (fmg)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.