Neustadt an der Orla. Frust, weil Blöcke abgerissen werden: Kommentator Marcus Cislak findet, die Umgestaltung von Neustadt-Süd kommt zu spät

Bei einer anderen Gelegenheit erwähnte ich bereits, dass sich im Fritz-Heckert-Wohngebiet in Karl-Marx-Stadt, pardon Chemnitz, aufwuchs. In den 1990ern bekam ich als Jugendlicher die volle Dröhnung ab. Scharenweise zogen Familien aus, die einst blühenden grauen Betonkästen glichen in wenigen Jahren einer Geisterstadt. Arbeitslosigkeit. Frust. Gewalt. Extremisten. Es gab buchstäblich gesellschaftliche Brüche im Minutentakt. Besonders als junger Mensch sind das zutiefst prägende Ereignisse, die sich nicht löschen lassen. Mit dem Abitur in der Tasche nutzte ich die Chance und ging weg. Meine Eltern blieben, sie mussten aber umziehen. Denn wenige Monate später wurde der Block, der meine Jugend bedeutete, abgerissen. In einem gut sanierten Wohnblock, wenige hundert Meter weiter die Straße hinab leben meine Eltern bis heute. Sie lieben es, denn „einen alten Baum verpflanzt man nicht“. Ich habe woanders Wurzeln geschlagen, zunächst in einer Plattenbaumietwohnung in Jena, jetzt im Eigenheim in Pößneck.

Was ich damit sagen will: Ich verstehe den Frust von manchem innerhalb der zumeist stark überalterten Bevölkerung in Neustadt-Süd sehr gut. Über die Jahre sind deren Kinder der Arbeit, Studium, Ausbildung wegen weggezogen. Es dünnte aus. Die älter werdende Generation, damals jungen Familien also, die so stolz war, eine warme Neubauwohnung ergattert zu haben, und Sozialschwache sind geblieben. Ein Generationenwechsel blieb mehrheitlich aus.

Sonderlich attraktiv scheinen mir die Wohnungen für andere Bevölkerungsschichten nicht mehr zu sein, zumindest in Neustadt-Süd nicht. Der Abriss leerstehender Blocks und Neugestaltung des Viertels (siehe Chemnitz) kommt vermutlich zwanzig Jahre zu spät.