Jörg Riebartsch  zur wieder verschärften Situation in der Corona-Pandemie.

Das Problem ist gewiss so alt wie die Menschheit. Nicht verwunderlich, dass es der Philosoph Immanuel Kant bereits im
18. Jahrhundert so beschrieb: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Manche Menschen scheren sich aber nicht darum, nehmen anderen einfach die Freiheit, beispielsweise die Freiheit, körperlich unversehrt, gesund zu bleiben.

Dass die Corona-Pandemie plötzlich und schlagartig wieder zur ernsthaften Bedrohung wurde, liegt maßgeblich an den Menschen, die sich um Abstand und Hygiene nicht scheren. Nun sind Rekordwerte bei den Infektionszahlen mit Corona zu melden. Noch nie wusste man von mehr neu Infizierten in Deutschland wie in der zurückliegenden Woche. Warum es in diesem Zusammenhang beruhigend sein soll, dass mehr getestet wird, bleibt unklar. Es sind einfach mehr Infizierte bekannt. Das ist doch keine beruhigende Nachricht.

Über den Sommer waren offenbar viele Deutsche nachlässig, weich und unvorsichtig geworden. Eigene Schwächen sind deshalb bemerkenswert, weil man selbst gern der Demokratie vorhält, nicht energisch genug gegen die vorzugehen, die die geltenden Regeln missachten. Anders als in der Diktatur gibt es aber keine Volkspolizisten oder Abschnittsbevollmächtigten an jeder Straßenecke, die den Bürger fragen, weshalb er denn seine Maske blödsinnigerweise unter dem Kinn trägt oder ohne jegliche Abstände lautstark und alkoholisiert Party macht. Und ob den Demonstranten gegen die offenbar bei Befolgung erfolgreichen Corona-Auflagen klar ist, dass sie in der DDR längst weggesperrt worden wären?

Demokratie verlangt vom Bürger ein hohes Maß an Selbstdisziplin und sittlicher Reife. Moralisch gefestigt sind aber nicht alle Menschen. Leiden müssen darunter die Korrekten. Wieder einmal ist der Ehrliche der Dumme. Wir sollten den Eigennutz nicht siegen lassen.