Der klassische Fußball-Manager gehört schon bald der Geschichte an.

Zwei Stunden, dann war alles vorbei. Er habe ein bisschen rumtelefoniert und sei wieder heimgegangen. Der erste Arbeitstag von Uli Hoeneß nach seiner Spielerkarriere beim FC Bayern München vor genau 40 Jahren war ein kurzer. Heute ist der mittlerweile 67-Jährige vielleicht der Letzte einer aussterbenden Gattung – der des klassischen Fußball-Managers.

Hoeneß war dabei nie das zarte Reh, das bedächtig in der Dämmerung die Lichtung betritt und scheu nach links und rechts schaut, ehe es zu äsen beginnt. Der gebürtige Ulmer ist eher einer vom Typ Bär, der ohne Vorwarnung durchs Unterholz bricht. Hoeneß hat die Art des Fußball-Managers nicht begründet, das war in Deutschland sein Vorgänger Robert Schwan. Aber Hoeneß hat den Beruf, in dem er bis November 2009 gearbeitet hat, geprägt und wird bis in alle Ewigkeit als das Sinnbild seiner Zunft gelten, zu der natürlich auch Leute wie Willi Lemke, Reiner Callmund oder Rudi Assauer zählten.

Kürzeres Verfallsdatum

Alle waren und sind sie Macher und Machtmenschen. Spieler und Trainer kamen und gingen, aber der klassische Manager blieb über viele Jahre, prägte den Verein, verschmolz mit ihm, brachte ihn voran. Jeder Erfolg – ein persönlicher Triumph. Jeder Rückschlag – die Missgunst und das Ränkespiel der anderen.

Heute fehlen solche Typen. Nicht, weil es im Fußball keine Persönlichkeiten mehr gibt. Sondern, weil heute niemand mehr so viel Macht im Club in sich vereinen kann. Um den klassischen Manager zu ersetzen, braucht es heute mehrere Personen – Sportdirektor, Geschäftsführer, Kaderplaner.

Und die Schnelllebigkeit der Zeit hat nahezu jedem ein kürzeres Verfallsdatum aufgedruckt. Die „Abteilung Attacke“ des FC Bayern konnte früher zum Beispiel perfekt taktieren, wenn die Konkurrenz vor wichtigen Spielen verbal verunsichert werden sollte. Dabei wählte Hoeneß stets mit Bedacht seine Waffe – mal das feine Florett, oft einfach nur den groben Knüppel. Dann wurde der Seitenhieb einem Journalisten gesteckt, der es dem Kontrahenten in der Presse am folgenden Tag kredenzte. So zog sich ein Schlagabtausch oft über Tage und es blieb Zeit für die passende Reaktion. Heute wird jede Äußerung über die sozialen Netzwerke in Sekundenschnelle verbreitet. Aufgeblasen zu einem riesen Ballon, ehe die warme Luft eines anderen diesen zum Schnee von vor einer halben Stunde macht – und zum Platzen bringt. Es ist keine Zeit mehr zum Taktieren. Die peinliche Bayern-Presseschelte jüngst hat gezeigt, wie sehr sich der einstige PR-Profi Hoeneß im modernen Medien-Dschungel verirrt hat.

Aggressive Transferpolitik obsolet geworden

Unvergessen ist dennoch die Herangehensweise des Alpha-Tieres, wenn ein Verein mal seinen mächtigen Bayern den Rang ablief. Lief es sportlich nicht, wurden dem aufbegehrenden Club mal eben die besten Spieler weggekauft. Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund können ein Lied davon singen. Zur Not tat’s auch der Trainer, wie im Fall von Werder Bremen und Otto Rehhagel – sehr zum Verdruss Lemkes. Dass mitunter überlegt wird, Klauseln in den Vertrag aufzunehmen, dass die eigenen Kicker nicht zu den Münchnern wechseln dürfen, ist eine Antwort auf die Hoeneß’sche Expansionspolitik. Da reicht ein Appell in Form eines Tote-Hosen-Songs eben nicht aus, damit das Talent niemals zum FC Bayern geht. Im Grunde genommen ist auch diese aggressive Transferpolitik obsolet geworden. Die ausländische Konkurrenz wirft mit Ablösesummen um sich, die selbst einen FCB schrecken. Heute liegt das Augenmerk auch weniger auf den aktuellen Leistungsträgern, sondern vielmehr auf den Stars von morgen.

Nur langsam kann sich der windige Geschäftsmann aus München mit den modernen Methoden anfreunden. Dass die Bayern zur kommenden Saison ihre Schatzkammer öffnen, soll ein Zeichen für Hoeneß‘ Umdenken sein. Wer über 40 Jahre im Verein ist, muss mit der Zeit gehen. Eines waren die großen Manager alle – unterhaltsam. Kaum einer kann heute nicht den „Calli“ machen. Jeder assoziiert Assauer mit der Zigarre und Hoeneß als den Platzhirsch. Dass Letzterer heute Präsident ist, liegt vor allem daran, dass er nach wie vor das Rampenlicht sucht. Ein Karl-Heinz Rummenigge wird von Aufsichtsräten gekürt. Hoeneß vom ganzen Bayern-Volk, seine Bühne – die Jahreshauptversammlung. Auch Callmund sucht weiter die Öffentlichkeit, frönt in Fernsehshows seiner zweiten Liebe – den lukullischen Genüssen.

Schade, dass heute solche Typen nicht mehr nachkommen können. Der Einzige, der es auch noch in diese Riege geschafft hätte, war Matthias Sammer. Doch den bremste eine Krankheit aus. Und so wird Hoeneß wohl der letzte seiner Art bleiben. Wie sehr er und seine einstigen Kollegen fehlen, merkt man immer erst dann, wenn sie nicht mehr da sind.