Holger Zaumsegel über den Umgang mit dem Bayern-Coach.

Gehen Sie gern auf Arbeit? Die Antworten dürften recht unterschiedlich ausfallen. Einige werden sicher denken: „Grundsätzlich ja, wenn ...“ Ja, wenn nur der Chef nicht wär.

Im Fall von Niko Kovac jedenfalls ist es der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG, der in dieser Saison das Arbeitsklima massiv verpestet hat. Das muss Ihnen jetzt keine Träne wert sein. Immerhin hat Kovac mit Sicherheit nicht den schlechtesten Job in dieser Branche. Im Gegenteil – eher den begehrtesten in der Bundesrepublik. Ebenso muss sich der in Berlin geborene ehemalige kroatische Nationalspieler anders als die meisten von uns keine Gedanken mehr über die finanzielle Absicherung der Familie machen.

Dennoch ist der 47-Jährige das beste Beispiel dafür, was mitunter falsch in dieser Arbeitswelt läuft und hat deswegen unser Mitleid verdient. Als er von Pokalsieger Eintracht Frankfurt im vergangenen Sommer zu den Stars von der Säbener Straße wechselte, war sein Auftrag klar: Die Bayern durch ein Übergangsjahr führen, in dem, laut Aussage von Präsident Uli Hoeneß, zur Not auch mal auf die Meisterschaft verzichtet würde. Er sollte die jungen Spieler voranbringen und den Umbruch nach der Ära „Robbery“ so langsam einläuten. Allerdings auch den beiden verdienten Altstars, Lieblinge der Chefetage, einen würdigen Abschied bescheren. Gemessen an diesen Aufgaben hat Kovac seinen Arbeitsauftrag übererfüllt. Er hat mit dem FCB das Double gewonnen – übrigens als Erster als Spieler und Trainer –, hat Kicker wie Serge Gnabry, Niklas Süle und mitunter auch Leon Goretzka zu Stammspielern geformt und dabei auch noch Rücksicht auf Arjen Robben und Franck Ribery genommen.

Mit anderen Worten: Niko Kovac hat in seinem ersten Bayern-Jahr als Trainer alles richtig gemacht. Und dennoch ist es sein Stuhl, der in der kommenden Spielzeit weiter kräftig wackeln wird. Und das liegt zu allererst an AG-Boss Karl-Heinz Rummenigge. Der hat seinen Chefcoach in dieser Saison nachhaltig demontiert, ihn bis zuletzt infrage gestellt und erst nach dem Gewinn des Doubles den Daumen für eine weitere Saison mit Kovac nach oben gestreckt. Um in seiner Dankesrede bei den anschließenden Feierlichkeiten das Ärzte-Team hervorzuheben, Kovac aber geflissentlich zu übergehen und damit die Spekulationen erneut anzuheizen.

Auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic hat wenig für seinen Freund Kovac in der zurückliegenden Spielzeit getan, als er merkte, dass die Chefetage in der Trainerfrage unterschiedlicher Meinung ist. Immerhin hat sich Bayern-Präsident Uli Hoeneß gnädigerweise zur Note „1 minus“ für den Coach hinreißen lassen.

Gemessen an dieser Bewertungsskala muss man mit Hinblick auf die Arbeit der heiligen Münchner Dreiuneinigkeit sagen: „6, setzen!“ Was bitte schön hat denn die Chefriege der Bayern in dieser Saison abgeliefert? Eine peinliche Presseschelte-PK, für die sich der Rekordmeister noch in zehn Jahren schämen muss. Dank der Demontage des Trainers die Schaffung einer steten Unruhe im Verein mit teilweise rebellischen Spielern. Und eine Mannschaft, die – mit Blick auf die internationalen Ambitionen der deutschen Nummer eins – schon vor dieser Saison eine kräftige Auffrischung hätte erhalten müssen.

Und was wurde für die neue Saison bisher geleistet? Die Weiterführung einer Trainerdiskussion bei jedem kleinen Rückschlag. Sowie bisher eine überschaubare Transferbilanz, von der sich Hoeneß übrigens zu Beginn des Jahres noch rühmte, dass sich alle noch wundern würden, wen die Bayern schon alles für die neue Spielzeit unter Vertrag hätten. Ja, wen haben sie denn bis heute schon? Nachwuchsstürmer Fiete Arp, der es beim Hamburger SV in der 2. Bundesliga auf 17 Einsätze und ein Tor schaffte. Sowie zwei weltmeisterliche Verteidiger für 115 Millionen Euro. Klingt erst mal gut. Doch bei näherer Betrachtung stieg Benjamin Pavard mit dem VfB Stuttgart eben in die 2. Liga ab. Und Lucas Hernandez musste sich nach Bekanntgabe des Wechsels einer Innenband-OP unterziehen. Ob er wieder zu alter Stärke findet, ist fraglich.

Angesichts der gezeigten Leistungen muss nicht der Trainer infrage gestellt werden, sondern der AG-Boss, der sich in den vergangenen Jahren von einem besonnenen Ex-Fußballer zu einem Großindustriellen gemausert hat. Doch leider, das wissen die meisten genau, tickt die Arbeitswelt anders und selten fair.