Jörg Riebartsch über ein tierisches Gebaren in der Politik.

Von der Existenz des Chamäleons weiß man schon lange. Es ist sozusagen ein Urviech. Mit langer Zunge erbeutet es seine Nahrung. Es kann sich mächtig aufplustern und damit eine Größe vorgaukeln, die das possierliche Tierchen gar nicht hat. Besonders bekannt ist das Chamäleon wegen seiner Farbe. Die kann es nämlich verändern, anpassen. Das dient auch der Tarnung. Vor allem aber dient es der Kommunikation.

Und das Chamäleon in der Thüringer Politik ist die SPD.

Momentan kommuniziert das sozialdemokratische Chamäleon seinen Mit-Tieren in der hiesigen Regierungskoalition, das sind die Linkspartei und die Grünen, dass man auch ohne sie durchs Leben kommen kann, in dem man sich beispielsweise einem anderen Reptil zuwendet – der CDU.

Matthias Hey, Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag, machte neulich den Anfang: Linke und Grüne könnten nur dann mit der Unterstützung des Chamäleons, also der SPD, für eine Fortsetzung der Koalition rechnen, wenn das Landesamt für Verfassungsschutz ausgebaut wird. Heißt: mehr Geld und mehr Personal für den Verfassungsschutz in Thüringen.

Oskar Helmerich, übrigens selbst ein besonderes Chamäleon in der SPD, weil er seine Anwesenheit im Parlament den AfD-Wählern verdankt, wurde ausgesandt, den Personalmangel in den Thüringer Gefängnissen zu kritisieren. Das geht gegen die Grünen, die mit Dieter Lauinger den ohne Fortune agierenden Justizminister stellen.

SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee, im Kabinett von Bodo Ramelow als Wirtschaftsminister unterwegs von Ast zu Ast, durfte persönlich die Idee des Linkspartei-Ministerpräsidenten nach einer Kultursteuer wegzüngeln: „Unnötige Diskussion zur Unzeit.“ Die Bürger, beschied Tiefensee seinem Chef, hätten andere Sorgen.

Und dann kam noch Heike Taubert um die Ecke. Die Finanzministerin mit sozialdemokratischem Parteibuch stemmte sich gegen linke Meinungsmacht und twitterte an die Adresse der grünen Umweltministerin Anja Siegesmund in die sozialen Netzwerke, Schüler sollten nach Schulschluss für die Zukunft des Klimas demonstrieren. Die Zeit des Unterrichts, findet Taubert, sollte man besser nutzen, sein Wissen über das Klima zu verbessern.

Mancher Wähler wird sich über das Aufplustern des Thüringer Chamäleons möglicherweise wundern. Für Verfassungsschutz und Gefängnisse hätte die SPD ja was tun können. Sie regiert mit.