OTZ-Chefredakteur Jörg Riebartsch zum 30. Jahrestag eines vereinten Deutschlands.

Jahrestage, zumal wenn sie den Charakter eines Jubiläums tragen, haben einen Vorteil. Sie befördern Themen ins Rampenlicht, die danach wieder ins Halbdunkel der Unwissenheit wandern, wo sie zuvor bereits vor sich hindämmerten.

In dieser Woche finden sich im von westdeutschen Autoren geprägten öffentlich-rechtlichen Rundfunk ungewohnt viele Dokumentationen und Reportagen, in denen das Leben der Menschen in Ostdeutschland im Mittelpunkt steht. Dabei ist der Jahrestag des Beitritts der untergegangenen Deutschen Demokratischen Republik ja eine gesamtdeutsche und nicht eine rein ostdeutsche Angelegenheit.

Offenbar treibt aber das schlechte Gewissen an. Irgendwie fällt dann doch auf, dass nach 30 Jahren der Beschäftigte im Osten immer noch deutlich weniger Geld bekommt und seine Rentenpunkte weniger wiegen als die eines westdeutschen Werktätigen.

In zehn Jahren schon wird es die DDR länger nicht gegeben haben als sie existierte. Wenn die Zeit bis dahin nicht vehementer genutzt wird, die Lebensverhältnisse anzugleichen, wird sich das auch nicht ändern. Für wie lange eigentlich? Für immer?

Der fromme Wunsch kann deshalb nur lauten, den Jahrestag des geeinten Deutschlands als Auftakt zu verstehen, Versäumnisse der Vergangenheit auszubügeln. Das wird weniger mit mehr Bundesbehörden im Osten gelingen, eher mit radikalen Maßnahmen wie gezielten Steuererleichterungen in den neuen Ländern und einem Finanzausgleich, der schrumpfende und alternde Bevölkerung berücksichtigt.

Der Schwund hier wird Wohlstandsbemühungen dauerhaft behindern, da die ostdeutschen Länder und Kommunen dauerhaft unter brutalem Sparzwang stehen. Die ostdeutsche Unternehmenslandschaft muss sich ebenfalls mächtig strecken. Sie liegt aktuell noch etwa 20 Prozent bei der Effizienz unter dem Niveau der alten Bundesländern. Es gibt also zu tun.

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