Jörg Riebartsch über die Konsequenzen aus dem Anschlag in Halle.

Es wird sich wohl niemals ändern, dass nach Gräueltaten, wie in dieser Woche in Halle, die üblichen Rituale hervorgekramt werden. Bekenntnis der Betroffenheit, Ruf nach härteren Strafen, Feststellung des Überschreitens roter Linien oder durchbrochener Grenzen, Forderung nach besserer Strafverfolgung und stärkere Überwachung des wachsenden Rechtsextremismus, Mitgefühl mit den Opfern, Schreie nach mehr Polizei, Wunsch nach strengerer Beobachtung der verbalen Auswüchse im Internet. Man stellt die Verrohung der Sitten fest und beklagt dieselben. Die rechte Szene, die Treuen der AfD, bejammert zudem die nicht bewiesene Fehlsichtigkeit auf dem linken Auge gegen den Extremismus von links. Das dient allerdings lediglich dazu, die Taten rechtsextremer Mordbuben zu verniedlichen und zu verharmlosen. Bei Mord und Totschlag, bei Amok und Terror, bei Rassismus und Antisemitismus darf es keine Entschuldigung oder Milde dadurch geben, dass man politisch-parlamentarisch dem linken oder rechten Extrem nahe steht.

Als Wähler kann man im Kleinen in Thüringen momentan aber die Chance nutzen, der Politik an ihren Wahlkampfständen auf die Pelle zu rücken. Man kann dort die Linkspartei fragen, weshalb sie zulässt, dass der Verfassungsschutz hier im Land nicht mehr näher an die Beobachtung von Extremisten heranrücken darf. Man kann die SPD ansprechen, weshalb sie – egal mit wem sie regiert – zugelassen hat, dass wir offenbar zu wenig Polizisten bei der Landespolizei haben. Und man kann die CDU mit der Feststellung konfrontieren, dass sie zu ihrer Regierungszeit mit dem Personalabbau bei den Sicherheitsbehörden angefangen hat. Der AfD ließe sich vorhalten, dass doch Mordtaten von Rechtsextremen nicht dadurch entschuldbar werden, dass man die Erkenntnis entgegenhält, es gäbe in Deutschland auch Linksextreme.

All das lässt die Mehrheit der Bevölkerung, die nichts schönzureden gewillt ist und den menschenverachtenden Pöbeleien und Spötteleien in den sozialen Netzwerken nichts abgewinnen kann, mit einem Gefühl der Ohnmacht zurück.

Man muss sich aus diesem Gefühl der Machtlosigkeit wieder herausrütteln. Man darf rassistischen Quatschköpfen beim Bäcker oder in der Straßenbahn widersprechen. Niemand muss sich einreden lassen, rechtsextremer Mordmob sei durch Zuwanderung begründet oder gar entschuldbar. Terror ist und bleibt einfach nur widerlich und ekelhaft. Keine Ausreden mehr.