Jörg Riebartsch  zu den anstehenden Warnstreiks im öffentlichen Dienst.

Streiks hat niemand gern und wenn es nach den Arbeitgebern ginge, wäre jeder Zeitpunkt für den Wunsch nach einer Lohnerhöhung falsch. Bei der aktuellen Forderung der Gewerkschaft Verdi nach 4,8 Prozent mehr Gehalt für 2,3 Millionen Beschäftigte in Bund und den Kommunen, sollte man aber mal genauer hinschauen. Warnstreiks im öffentlichen Dienst sind zur Untermauerung der Forderung angekündigt. Ist das gerecht?

Bereits im Baugewerbe gab es aktuell nach einer Schlichtung für Beschäftigte im Osten satte 2,7 Prozent mehr Lohn. Außerdem, das klingt pfiffig, noch für jeden Mitarbeiter 500 Euro steuerfrei als Sonderzahlung wegen Corona. Da muss die private Wirtschaft schauen, wie sie das auf das ohnehin teure Bauen für Wohnen aufschlägt.

Denn aufgrund der Inflationsrate von nahe null Prozent, bedeutet alles darüber realen Lohnzuwachs. In der Vergangenheit haben die Gewerkschaften ihre Lohnforderungen ja auch immer gut begründen können: Die Beschäftigten sollen an der wirtschaftlich positiven Entwicklung teilhaben dürfen.

Momentan ist allerdings die deutsche Wirtschaft eingebrochen, das Bruttoinlandsprodukt sogar im zweiten Quartal um 11,3 Prozent zurückgegangen, rechnet das Statistische Bundesamt vor. Im gleichen Zeitraum sind die Reallöhne um 4,7 Prozent geschrumpft. In vielen Unternehmen werden den Beschäftigten Weihnachts- und Urlaubsgeld gestrichen. In der Event- und Veranstaltungsbranche weiß man momentan überhaupt nicht, wie es weitergeht.

Die bizarre Situation: Der öffentliche Dienst erwirtschaftet nichts, wird durch den Steuerzahler finanziert. Nun sollen also diejenigen Beschäftigten, die sinkende Einkommen haben, dabei helfen, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst einen übergroßen Schluck aus der Pulle kriegen? Dass da Bund und Kommunen kein Angebot vorlegen, ist verständlich.