Jörg Riebartsch über den verlorenen Instinkt der CDU.

Zur Politik gehört der Instinkt, das zu spüren, was beim Volk ankommt, und dieses bestenfalls auch noch zu verwirklichen. Auch wenn die Ankündigung bestimmter Vorhaben mittlerweile offenbar mehr zählt beim Wähler als die Umsetzung und Verwirklichung selbst. Die Union in Deutschland verliert an Witterung. Der Duft des Regierens wird im Osten Deutschlands immer schwerer wahrgenommen. Den Geruch der Macht nimmt die Partei in Thüringen kaum noch wahr. Die Jahre des Aufbaus nach der Wende fühlen sich abgeschlossen an. Als Partei des Umverteilens fehlt es der CDU für viele an nötiger Kompetenz.

Die Christdemokraten in Thüringen haben nicht nur den Parteivorsitz auf Bundesebene mit ins Verderben gezogen. Die Partei kämpft gleich mit weiteren Problemen.

In Thüringen wurde die Stärke der CDU von der eigenen Partei- und Fraktionsführung ausgeblendet. Das ist die starke kommunale Basis aus volksnahen Bürgermeistern und Landräten sowie die Bürgernähe direkt gewählter Bundes- wie Landtagsabgeordneter. Nah dran am Thüringer zu sein – das war mal das Mittel, mit dem die anderen Parteien klein gehalten wurden. Derzeit gönnen Umfragen der CDU hier im Bundesland aber nur noch beschämende 13 Prozent.

Und nichts begriffen hat die Bundes-CDU bei der Antwort auf die Frage, weshalb sie im Bund zwar mit der SPD regiert und in westlichen Bundesländern relative Stärke zeigt, im Osten aber das wachsende Problem bekommt, wer mit ihr in Zukunft noch regieren könnte. Zur Verteufelung der Linkspartei als politischem Gegner fehlt eigentlich nur noch die alte CDU-Losung „Freiheit statt Sozialismus“. Das geht längst an der Lebenswirklichkeit vieler Wähler im Osten vorbei, die die Linken politisch vielleicht nicht mögen, aber an ihr auch nicht den Untergang eines Bundeslandes festmachen. Dann auch noch von Berlin aus zu diktieren, was die Union in Thüringen zu tun oder zu lassen hat – missionieren muss man hier niemanden, noch nicht einmal die eigenen Parteifreunde.