Julia Emmrich zum Lehrermangel.

Was fehlt Deutschland am meisten? Die Antwort ist klar: Dem Land fehlen Leute, die sich um andere kümmern. Leute, die für solide Bildung, verlässliche Sicherheit und Lebenswürde im hohen Alter sorgen. Leute, die das Rückgrat eines sozialen Staates bilden – und dafür sorgen, dass sich die Bürger nicht von diesem Staat abwenden. Doch genau bei diesen Kümmerern wird die Lücke immer größer. Deutschland fehlen Zehntausende Erzieher und Lehrer, Polizisten und Pfleger. Sicher, die Digitalisierung ist eine großartige Sache und kann viele Prozesse erleichtern – doch es gibt Aufgaben, die nur gut ausgebildete Menschen erledigen können. Und diese Aufgaben wachsen täglich.

An den Grundschulen fehlen einer neuen Studie zufolge bis 2025 rund 26.000 Lehrer – und damit etwa 11.000 mehr als die Bundesländer bislang kalkuliert hatten. Das ist kaum aufzuholen. Schon deshalb nicht, weil der Lehrermangel aus vielen Gründen wächst: Wegen der höheren Geburtenzahlen, wegen der Zuwanderung, wegen der Inklusion von Kindern mit Behinderungen und schließlich auch wegen der Ausweitung der Schule am Nachmittag. Ab 2025 sollen Eltern einen Rechtsanspruch darauf bekommen.

Doch nicht nur der rechnerische Bedarf an Lehrern wächst. Auch die Bedeutung der Lehrer wird von Jahr zu Jahr größer: Lehrer können nicht komplett ersetzen, was Eltern bei der Förderung ihrer Kinder nicht leisten können oder wollen. Aber außer den Lehrern ist oft sonst niemand da, der das zumindest versucht. Gerade in Brennpunktschulen, gerade dort, wo Kümmerer besonders dringend gebraucht werden. Hier sind die katastrophalen Folgen des Lehrermangels längst spürbar. Passiert in den nächsten Jahren nicht genug, um die Lücken zu schließen, wird aus dem Lehrermangel eine nationale Bildungskatastrophe.