Tino Zippel über das Ramelow-Angebot und den CDU-Konter.

Bodo Ramelow hat mit einem geschickten Schachzug bewiesen, wie raffiniert und staatstragend er agieren kann. Mit seinem Vorschlag, die ehemalige Minister­präsidentin Christine Lieberknecht (CDU) als Interimsregierungs­chefin zu wählen, hat er die CDU in Zugzwang gebracht.

Strategisch geschickt war es allemal. Die Linke hängt schnelle Neuwahlen als Preisschild für die Unterstützung Lieberknechts an: Nach der Auflösung des Landtages Anfang März müssten bis Ende Mai Neuwahlen erfolgen. Und genau die fürchtet die Union wie der Teufel das Weihwasser. Schließlich können die Abgeordneten in den Umfragen die für sie dramatischen Zahlen lesen: Im krassesten Fall halbiert sich die Mitgliederzahl der CDU-Fraktion.

Die Linke dagegen würde dank des Ramelow-Bonus stark profitieren. Denkbar ist, wenn die Grünen den Wiedereinzug verpassen sollten, allein in Koalition mit der SPD zu regieren. Auch Rot-Rot-Grün hätte beim Einzug der Grünen beste Chancen, die Mehrheit im Landtag zu stellen.

Deshalb liegt es im Interesse der CDU, Neuwahlen, so weit es geht, in die Zukunft zu verschieben. Darum überrascht auch die Stellungnahme der Christdemokraten nicht. Sie stimmen für Lieberknecht als Ministerpräsidentin, wollen aber zumindest erst im Jahr 2021 wählen lassen. Den Haushaltsbeschluss fürs nächste Jahr und damit ein handlungsfähiges Land schieben sie als Feigenblatt vor. Dabei wäre bei einer Wahl im Mai auch bis zum Herbst mit einer Regierungs­bildung zu rechnen.

Obwohl: In Thüringen ist neuerdings nichts mehr sicher. Deshalb entspricht der Konter der CDU wohl am ehesten der Lebenswirklichkeit. Wenn Ramelow seine Partei von diesem Kompromiss überzeugt, festigt er seinen Ruf als Gestalter in der Krise. Den hatte er sich als Schlichter erworben: 2015 vermittelte Ramelow zwischen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer und der Deutschen Bahn erfolgreich. Danach rollte der Zugverkehr wieder – nun muss Thüringen wieder in Gang kommen.