Jörg Riebartsch zur möglichen Kanzlerin von den Grünen.

Die Männer in der Union wollten eine erneute Kanzlerin verhindern. Vielleicht gibt es die ja trotzdem, weil CDU und CSU gar nicht die Gelegenheit bekommen, den Regierungschef zu stellen? Dass die Grünen nun die Vorsitzende Annalena Baerbock zur Spitzenkandidatin und damit Anwärterin auf das Kanzleramt machen, war zu erwarten. Bei den Grünen haben Frauen das erste Zugriffsrecht, wenn es um das Verteilen von Pöstchen geht. Nicht anders als bei den anderen Parteien ist allerdings: Pöstchen werden gern genommen.

Im Unterschied zur SPD, hier nennt man den gegenwärtigen Vizekanzler Olaf Scholz Kanzlerkandidaten, ist eine Kandidatur um die Aufgabe der Kanzlerin bei den Grünen realitätsnäher. Es ist keine Konstellation denkbar, unter der die sozialdemokratische Partei mit ihren mageren 15 -Umfrage-Prozenten einen Kanzler stellen könnte. Ein Hauch von Größenwahn umwabert einlullend, einem politischen Nebel gleich, die SPD, die sich für weitaus größer hält, als sie in Wahrheit ist.

Auch wenn aktuell rechnerisch nur eine Koalition aus Union und Grünen bundesweit möglich wäre – die Grünen sind näher dran am mächtigen Berliner Betonklotz Kanzleramt als die Scholz-SPD.

Baerbock ist überhaupt erst die zweite Frau seit 1949 in der Bundesrepublik, für die die Aufgabe als Regierungschefin in halbwegs greifbare Nähe rückt. Anfeindungen werden ihr gewiss sein. Man wird schnell feststellen, dass sie noch nie ein Amt außerhalb ihrer Partei bekleidet und keinerlei Regierungserfahrung hat. Da aber Regierungserfahrung, wie die zurückliegenden Monate in der Pandemie bewiesen haben, für sich genommen noch kein Wert ist, mit dem sich Probleme lösen lassen, kann Baerbocks zuweilen unbekümmertes Auftreten womöglich den Weg zum Wähler leichter öffnen.