Die „taz“-Journalistin Ulrike Herrmann schreibt alle drei Jahre ein Buch, das wie selbstverständlich zum Bestseller wird, und immer spielt darin die Wirtschaft und der Kapitalismus eine Rolle.

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Deshalb ist die Autorin auch die richtige Ansprechpartnerin, wenn es um die Frage geht, warum Deutschland in seiner wirtschaftlichen Entwicklung so viel schlechter dasteht als andere große Wirtschaftsnationen. Die Antwort sei einfach, sagt Herrmann, und sie habe nur am Rande mit der Ampel-Koalition zu tun: „Das liegt an einem Faktor, den jeder kennt: Der Wahnsinn heißt Schuldenbremse. Deutschland stranguliert sich selbst, in dem gesagt wird, dass der Staat keine Schulden machen darf. Man müsste die Schuldenbremse mindestens so weit reformieren, dass Investitionen jederzeit durch staatliche Schulden finanziert werden können.“ Aber selbst das sei in Deutschland im Moment nicht möglich, weil sowohl die FDP als auch die CDU/CSU dagegen sind. „Alle anderen Länder machen Schulden, und wachsen deshalb anders als Deutschland. Es ist wirklich seltsam, dass dieser einfache Zusammenhang bei uns niemandem auffällt.“ Daran würde sich auch nichts ändern, wenn die CDU/CSU in einer Koalition an die Macht käme, „eher im Gegenteil“, so Herrmann.

Sie würde der Regierung dringend raten, stärker Schulden aufzunehmen, was man in 2024 mit den außergewöhnlichen Belastungen des Staatshaushalts durch die Unterstützung der Ukraine begründen könnte. „Aber das scheitert an der FDP. Ihr Problem ist und bleibt, dass sie eigentlich kein Programm hat und sich ihr Markenkern auf wenige Inhalte wie das Tempolimit und eben die Einhaltung der Schuldenbremse beschränkt.“ In der Bundestagsfraktion der Liberalen gäbe es inzwischen Abgeordnete, die man als „Schulden-Taliban“ bezeichnet könnte: „Für die gibt es nur noch einen einzigen Daseinszweck, und das ist das Kampf um die Einhaltung der Schuldenbremse. Das ist für sie ein Mantra, und dagegen kann sich Christian Lindner leider nicht durchsetzen.“

Durchsetzen wird sich nach Einschätzung von Ulrike Herrmann auch Friedrich Merz als möglicher Kanzlerkandidat der CDU/CSU nicht - und das nicht nur, weil er ihn in Umfragen nach wie vor mehr Menschen unsympathischer finden als Olaf Scholz. „Friedrich Merz hat sehr viele Nachteile, und das ist auch sehr vielen Leuten in der CDU bewusst, die ihn nur ungern als Kanzlerkandidaten hätten.“ Das erste große Problem des CDU-Vorsitzenden sei, dass er noch nie reagiert habe, „er war ja nicht einmal Ministerpräsident“. Nachteil Nummer zwei: „Merz ist nicht fleißig, seine Faktenkenntnis ist bescheiden, was für ihn sehr gefährlich werden wird, wenn es zu Fernsehduellen mit Scholz kommt.“ Und dann „gibt es noch das Problem, dass Merz nicht-steuerbar, man muss es in aller Härte so sagen, Unsinn erzählt.“ Deshalb würden Scholz’ Team in aller Ruhe darauf warten, dass die Union wieder einen Kandidaten aufstellt, der „völlig ungeeignet ist“.