Berlin . Noch immer sitzen Tausende gefährdete Ortskräfte in Afghanistan fest. Bund fliegt weiter aus. Linke spricht von „erschreckender Bilanz“.

Bis Mitte Januar hat die Bundesregierung nach eigenen Angaben rund 20.400 Aufnahmezusagen für und deren Familien erteilt. Hinzukommen etwa 8000 weitere Zusagen für die Aufnahme von „besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen und deren Kernfamilien“. Das geht aus einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Seit dem 15. Mai 2021 sind laut Bundesregierung mehr als 9300 afghanische Ortskräfte, gefährdete Personen wie Journalisten oder Menschenrechtlern und deren engste Familienmitglieder in Deutschland eingereist. Das Außenministerium teilte darüber hinaus mit, dass „viele Personen mit Aufnahmezusage bereits eigenständig Afghanistan verlassen“ haben und sich in Drittstaaten wie etwa Pakistan befinden würden. Und: Grundsätzlich könnten ehemalige Ortskräfte weiterhin Gefährdungsanzeigen bei deutschen Behörden stellen.

Deutsche Botschaften in der Region sollen helfen, Afghanen ein Visum auszustellen

So befinden sich auch Monate nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban noch Tausende afghanische Ortskräfte der Bundeswehr, des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungshilfeministeriums in dem Krisenstaat am Hindukusch. Das Außenministerium hob in der Antwort auf Anfrage der Linksfraktion hervor, dass ehemalige Ortskräfte und besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen nun „an allen deutschen Auslandsvertretungen einen Visumantrag stellen“ könnten.

Seit einem schweren Anschlag auf die deutsche Botschaft in der afghanischen Hauptstadt Kabul waren für die Bearbeitung von Visumanträgen von Menschen aus Afghanistan ausschließlich die deutschen Botschaften im pakistanischen Islamabad und im indischen Neu-Delhi zuständig.

Bundesregierung will Botschaften aufrüsten – bisher sind die Stellen überlastet

Die Bundesregierung hob hervor, dass unter anderem die Visastellen der Botschaft in Islamabad mit zwölf Mitarbeitenden verstärkt wurden. Auch die Botschaft in Neu-Delhi sei mit zwei Personen aufgestockt worden. Das Auswärtige Amt schrieb: „Aktuell sind in Islamabad 29 Dienstposten, in Karachi elf und in Neu-Delhi 19 Dienstposten im Bereich der Visumbearbeitung besetzt.“ Weitere Verstärkungen etwa in Pakistan seien vorgesehen. Im Mai 2019 waren laut Angaben der Bundesregierung 47 Dienstposten in Islamabad und Neu-Delhi bei der Visumsbearbeitung eingesetzt.

Die Linksfraktion übt deutliche Kritik am Einsatz der Bundesregierung zum Schutz der gefährdeten Menschen in Afghanistan. „Erst ein Drittel der gefährdeten Personen mit einer Ausnahmezusage konnte bislang nach Deutschland kommen. So viele Monate nach der Machtübernahme durch die Taliban ist das eine erschreckende Bilanz“, sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger unserer Redaktion.

Die Bundesregierung müsse „ihre Anstrengungen deshalb verdoppeln, um die gefährdeten Menschen so schnell wie möglich aus dieser verzweifelten Lage zu befreien“, sagte Bünger. Die Linkspolitikerin hob hervor, dass Familienangehörige von in Deutschland anerkannten afghanischen Flüchtlingen bisher offenbar ihre Visaverfahren nicht in allen Visastellen der Region betreiben könnten – „im Gegensatz zu den Ortskräften oder gefährdeten Personen und ihren Angehörigen“.