Berlin. Kann die Koalition auch Krise? Eine Umfrage zeigt die Skepsis in der Bevölkerung. Doch die Ampel-Regierung schlägt sich bisher gut.

Es steht viel auf dem Spiel: die Existenz der Ukraine, der Frieden in Europa, unser Wohlstand – und somit das Zusammenleben auf dem Kontinent, wie wir es kennen. Selbst wenn die düstersten Szenarien nicht eintreten, der russische Angriffskrieg wird absehbar jahrelange Folgen für die politische und wirtschaftliche Stabilität weit über Osteuropa hinaus haben.

Politisches Handeln muss in dieser Lage viele Fähigkeiten vereinen: Entschlossenheit bei gleichzeitiger Weitsicht, Mut und Vorsicht, den entschiedenen Willen zur Wehrhaftigkeit gepaart mit dem unermüdlichen Bemühen um Dialog und Verständigung.

Die Ampel regiert in einer Mega-Krise

Chefreporter Jan Dörner.
Chefreporter Jan Dörner. © Privat | Privat

Der Druck auf die noch junge Bundesregierung ist damit enorm. Seit 100 Tagen ist dieses im Bund bisher unerprobte Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP nun im Amt. Seitdem erlebte die Koalition von Kanzler Olaf Scholz nichts als Krise. Sie ist angetreten mit dem Anspruch, dem Klimawandel erfolgreich entgegenzutreten, startete aber mit der Hypothek der Corona-Pandemie, bevor der Krieg in der Ukraine mit seinen noch nicht absehbaren Folgen von wirtschaftlichen Verwerfungen bis zur größten Flüchtlingsbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg alles überschattete.

Lesen Sie auch: Olaf Scholz - plötzlich Krisenkanzler

Ist die Ampelkoalition in der Lage, in dieser Mega-Krise Deutschland zu regieren? In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Redaktion gehen die Meinungen darüber auseinander: 38 Prozent der Befragten beurteilen die bisherige Leistung der Regierung positiv, 44 Prozent negativ. 42 Prozent finden, die Koalition steuere das Land gut durch die aktuelle Krise, 43 Prozent sind gegenteiliger Ansicht. Deutlich wird: Das Bündnis unter Führung von Olaf Scholz muss sich in den Augen der Bürgerinnen und Bürger noch bewähren.

Scholz machte Bedrohung durch Russland zögerlich zur Chefsache

Skepsis gegenüber der Ampel und ihrem führenden Personal ist berechtigt. Besonders, da sich drei Parteien zusammengetan haben, die wie SPD, FDP und Grüne auf viele Fragen zunächst einmal sehr unterschiedliche Antworten geben, wie die aktuelle Debatte um einen Tankrabatt beweist. Hinzu kommt: Manche Protagonisten der Koalition zeigten sich in der Vergangenheit sehr überzeugt von den eigenen Fähigkeiten, nun ist dem einen oder anderen die Last der Verantwortung doch stark anzumerken.

Das alles ist jedoch kein Grund, sich eine Regierung unter Führung der Union oder gar die krisenerprobte Kanzlerin Angela Merkel zurückzuwünschen. Es gibt gute Gründe, der Ampelkoalition Vertrauen zu schenken: Olaf Scholz benötigte anfangs zwar eine Weile, bis er die Bedrohung durch die Lage in Osteuropa politisch und kommunikativ zur Chefsache machte. Als die Zeichen aber immer deutlicher auf Krieg standen, war der Sozialdemokrat da und traf mutig wichtige Entscheidungen.

Zerstörung durch russische Angriffe in der Ukraine.
Zerstörung durch russische Angriffe in der Ukraine. © AFP | -

Bestnote für Annalena Baerbock

Die im Wahlkampf enttäuschende Annalena Baerbock ist eine starke Außenministerin, die klare und berührende Worte findet. Die Grünen-Politikerin bekommt dafür in der Umfrage die beste Note im Ampel-Kabinett.

Finanzminister Christian Lindner scheut sich trotz ideologischer Vorbehalte nicht, nun höhere Schulden aufzunehmen, um die Folgen der Krise abzumildern. Dass in dieser Lage ein FDP-Politiker den Bundesetat verwaltet, verschafft diesen Maßnahmen Akzeptanz über das Spektrum der Ampel-Wähler hinaus. Seit ihrem Amtsantritt haben die Ampel-Koalitionäre nicht alles richtig gemacht, aber vieles.

Als es um die Reaktion auf Russlands Angriffskrieg ging, standen sie geschlossen. Insofern lautet das erste Fazit nach 100 Tagen: Ihre erste Bewährungsprobe hat die Koalition bestanden.