Berlin. Eine knappe Mehrheit der Sozialdemokraten will die Koalition mit der CDU unter Bürgermeister Kai Wegner. Rot-Grün-Rot ist abgelöst.

Die Berliner SPD hat sich entschieden – für einen CDU-Mann im Roten Rathaus. Am späten Sonntagnachmittag (23.4.) gab die Partei das Ergebnis der wochenlangen Befragung ihrer 18.555 Mitglieder in der Hauptstadt bekannt: Von den 11.886 Genossinnen und Genossen, die abgestimmt hatten, stimmten 54,3 Prozent für das Bündnis mit der CDU.

Damit ist der Weg frei für den ersten CDU-Bürgermeister in der Hauptstadt seit mehr als 20 Jahre: Kai Wegner. Der 50-Jährige und seine Christdemokraten hatten sich bei der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl im Februar überraschend deutlich als stärkste Kraft etabliert. Trotzdem war lange nicht klar gewesen, ob Wegner regieren kann.

Denn auch wenn die vorherige rot-grüne-rote Regierung Verluste einstecken musste, hätte es trotzdem gereicht, das Bündnis fortzusetzen. Bis zuletzt hatten die beiden Koalitionspartner auch betont, dass die Tür dafür weiter offen steht. Und nicht nur die SPD hätte eine Alternative gehabt – die Hürden für ein schwarz-grünes Bündnis wären in Berlin zwar höher gewesen als in anderen Bundesländern, aber nicht unbedingt unüberwindbar.

6179 dafür, 5200 dagegen: Die knappe Mehrheit unter denen, die abgestimmt haben, lässt ahnen, wie schwer sich die Sozialdemokraten getan haben mit ihrer Entscheidung. Innerhalb der SPD war in den vergangenen Wochen heftig gerungen worden zwischen Befürwortern und Gegnern einer Koalition mit der CDU: Mehrere Kreisverbände hat sich gegen das Bündnis ausgesprochen. Die Jusos kritisierten den Koalitionsvertrag als „ein schwarzes Korsett mit roten Schleifen“ und riefen zu einem Nein auf.

Franziska Giffey und ihr Co-Vorsitzender Raed Saleh (beide SPD) bei der Bekanntgabe des Mitglieder-Votums.
Franziska Giffey und ihr Co-Vorsitzender Raed Saleh (beide SPD) bei der Bekanntgabe des Mitglieder-Votums. © Reto Klar / FUNKE Foto Services | Reto Klar / FUNKE Foto Services

Giffey „erleichtert für die SPD und die Stadt“

Die bisherige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey dagegen warb für die schwarz-rote Koalition – und damit auch dafür, dass sie ihren aktuellen Posten räumen muss. Welche Rolle sie in der künftigen Regierung spielen wird, ist noch nicht sicher. Diskutiert worden waren in den vergangenen Wochen mehrere Optionen, sowohl das Ressort für Stadtentwicklung als auch Wirtschaft kommen infrage. Als sicher galt nur, dass ihre politische Zukunft eng verknüpft war mit der Zustimmung der Mitglieder zu dieser Koalition und dem ausgehandelten Vertrag.

Giffey zeigte sich am Sonntag froh über das Ergebnis. „Ich bin erleichtert für die SPD und die Stadt“, sagte sie. Als mangelnden Rückhalt interpretiert sie das Ergebnis knapp über 50 Prozent nicht: „Es liegen neun Prozent zwischen Ja- und Nein-Stimmen. Das ist eindeutig“, sagte Giffey. Nun könne der politische Stillstand in der Stadt beendet werden. Ein Nein der SPD-Mitglieder hätte dazu geführt, dass die Berliner Landespolitik auch in den kommenden Monaten gelähmt worden wäre.

Berliner Parteien kritisieren Große Koalition

Wie zukunftsweisend dieses Bündnis nun ist, darüber gehen offenbar selbst innerhalb der Berliner SPD-Spitze die Bewertungen auseinander. „Das ist eine politische Richtungsentscheidung, die weit über das hinausgeht, was die nächsten drei Jahre betrifft“, sagte Giffey. Ihr Co-Parteivorsitzender Raed Saleh klang da schon zurückhaltender: „Wir machen das für die nächsten dreieinhalb Jahre“, sagte er und bezog sich damit auf die Zeit bis 2026. Die Wiederholungswahl hatte die seit 2021 laufende Legislaturperiode nicht unterbrochen.

Die verschmähten ehemaligen Koalitionspartner von den Grünen kritisierten das Ergebnis: Die SPD habe sich „für den Rückschritt entschieden“, sagten die Vorsitzenden der Berliner Grünen, Susanne Mertens und Philmon Ghirmai. „Heute ist kein guter Tag für unsere Stadt“, sagte auch Linken-Landeschefin Katina Schubert. Ihre Partei verliert damit eine wichtige Regierungsbeteiligung auf Landesebene.

Und auch die FDP, die bei der Wiederholungswahl den Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus verpasst hatte, ahnt Ärger. Die knappe Entscheidung sei „ein verheerendes Zeichen“ und zeige, „wie tief gespalten die SPD in Berlin ist“, teilte der Landesvorsitzende Christoph Meyer mit. Damit hätten die Sozialdemokraten den Startschuss verpasst und beschädigten ihre Vorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh massiv. CDU und SPD würden „die Hauptstadt in einer Zeitkapsel des Stillstands gefangen halten. Das hat die Stadt nicht verdient“, so die Liberalen.

Kai Wegner: „Die Probleme dieser Stadt warten nicht“

Der, den die SPD-Mitglieder mit ihrem Votum auf den Weg ins Rote Rathaus geschickt haben, verzichtete am Sonntag auf Triumphgebaren: Kai Wegner, gelernter Versicherungskaufmann aus Spandau und voraussichtlich nächster Bürgermeister Berlins, sagte die Entscheidung stehe für „für Vernunft und Verantwortung“. „Es ist Zeit, dass wir schnell anpacken“, schrieb er auf Twitter. „Die Probleme dieser Stadt warten nicht.“ Das zumindest dürfte lagerübergreifend Zustimmung finden. Eines der größten Probleme der Stadt will Wegner direkt zur Chefsache machen: die Reform der der schwerfälligen, komplizierten Berliner Verwaltung.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Noch muss auch die CDU in Berlin das Bündnis absegnen. Das soll an diesem Montag im Rahmen eines Parteitags geschehen, die Zustimmung gilt als sicher. Dann könnte es nach 22 Jahren plötzlich ganz schnell gehen: Schon am Donnerstag könnte Berlin mit Kai Wegner einen christdemokratischen Regierenden Bürgermeister haben

(fmg)