Moskau. Nach dem Putschversuch in Russland ist Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in Belarus angekommen. Er könnte einen finsteren Plan haben.

Das neue Reiseziel für die Wagner-Söldner hat Russlands Präsident Wladimir Putin in einer kurzen Rede persönlich bekanntgegeben: Belarus. Dorthin könnten sie – oder aber in russische Armee eintreten oder einfach nur heimgehen. Straffrei. Jewgeni Prigoschin, ihr Chef, ist mittlerweile schon in Belarus. Am Dienstagmorgen landete ein Privatflieger vom Typ „Embraer Legacy 600“ in Minsk, die Maschine gehört zur Flugzeugflotte Prigoschins. Am Nachmittag bestätigte der belarussischen Präsident Alexander Lukaschenko, dass der Wagner-Chef in Belarus angekommen sei. „Ja, wirklich, er ist heute in Belarus“, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Belta zufolge.

Laut dem russischen Verteidigungsministerium haben inzwischen Vorbereitungen zur Übergabe von schwerem Kriegsgerät der Wagner-Truppe an die reguläre Armee begonnen. Das bedeutet nicht unbedingt das Ende der Wagner-Gruppe. Belarus ist russische Nachschubbasis für die Kämpfe in der Ukraine. Prigoschins Söldner könnten jederzeit mit neuen Panzern und Raketenwerfern ausgerüstet werden und als kampferprobte Soldaten in die Ukraine vorstoßen. Eine neue Front durch eine Truppe, die schon in Bachmut äußerst erfolgreich war – dies wären keine guten Aussichten für die Ukraine.

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Andrej Kartapolow, jedenfalls, der Vorsitzende des russischen Verteidigungsausschusses, erklärte bereits, er halte es für nicht notwendig die Wagner-Gruppe zu verbieten. Schließlich sei sie „die kampfbereiteste Einheit in Russland.“ Auch das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) geht davon aus, dass der Kreml zumindest Teile der Gruppe aufrechterhalten will. Die Zukunft der Kommando- und Organisationsstruktur sei jedoch unklar.

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Wagner-Söldner: Afrika-Einsatz soll weitergehen

Ob allerdings der belarussischen Präsident Alexander Lukaschenko von derartigen Ideen begeistert ist, das bezweifeln viele, auch der Politikanalyst Alexander Fridman. Er sagt: „Ich denke, dass Lukaschenko es lieber nicht zulassen wird, dass Prigoschin eine Privatarmee in Belarus aufbaut.“ Interessant für Lukaschenko allerdings wäre, wenn die Privatarmee nicht auf belarussischem Territorium operieren würde. „Wenn Belarus zu einer Art Transitpunkt würde, könnte Lukaschenko, der ernsthafte Interessen in Afrika hat, mit Prigoschin zusammenarbeiten.“ In Afrika, etwa in der Zentralafrikanischen Republik oder in Mali sind Wagner-Kämpfer seit langem schon aktiv. Das solle weitergehen, meint auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow.

Der belarussische Machthaber zeichnete am Dienstag in Minsk hochrangige Militärs aus. Zur Zukunft der Wagner-Truppe äußerte er sich nicht. Wohl aber zur Krise in Russland, mit einem kleinen Seitenhieb auf Präsident Putin. Lukaschenko sagte, alle Beteiligten hätten die Gefahr der Eskalation des Konflikts anfangs falsch eingeschätzt hätten. Alle hätten geglaubt, dass sich die Situation lösen lasse. Daher seien weder er noch Putin oder Prigoschin als „Helden“ zu bezeichnen. Zwei Menschen seien „aufeinandergeprallt“, sagte er mit Blick auf Putin und Prigoschin. „In diesem Fall gibt es keine Helden“, fügte Lukaschenko hinzu und kritisierte damit eben auch Wladimir Putin.

Russischer Staat zahlte 950 Millionen Euro für Wagner-Einsatz in der Ukraine

Dieser wiederum dankte in Moskau auf dem Gelände des Kreml Soldaten und Mitarbeitern der Sicherheitsdienste. „Sie haben die verfassungsmäßige Ordnung, das Leben, die Sicherheit und die Freiheit unserer Bürger verteidigt, unsere Heimat vor Erschütterungen bewahrt, faktisch einen Bürgerkrieg verhindert“, sagte Putin bei der Rede, die im Staatsfernsehen übertragen wurde. Anwesend war auch der von Prigoschin so gescholtene Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Bekannt wurde auch, was der Einsatz der Wagner-Truppe in der Ukraine den russischen Staat gekostet hat: 86,3 Milliarden Rubel allein für Gehälter und Prämien. Das sind rund 950 Millionen Euro. Laut der Nachrichtenagentur Interfax seien darüber hinaus 110,2 Milliarden Rubel für Versicherungszahlungen bereitgestellt.

Eine Konsequenz haben die Ereignisse vom vergangenen Samstag bereits in Russland. Die russische Nationalgarde soll mit schweren Waffen aufgerüstet werden, zitiert die Nachrichtenagentur RIA Nowosti Viktor Solotow, den Leiter der Nationalgarde. „Jegliche Provokationen in Moskau wären unterdrückt worden, wenn sie vor dem Hintergrund des Aufstands entstanden wären“, so Solotow weiter.

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