Stockholm. Die Spannungen im Zuge der Koranverbrennungen steigen. Stockholm befürchtet eine „lange“ anhaltenden Bedrohung durch Terrorattacken.

Terroralarm in Schweden: Erstmals seit 2016 hat die Regierung in Stockholm ihre Bevölkerung vor der „hohen Bedrohung“ eines Anschlags gewarnt. Nach Protesten in der muslimischen Welt gegen Koranverbrennungen setzte Schweden seine Terrorwarnstufe auf die Kategorie vier hoch, die zweithöchste Marke. Stufe vier bedeutet, dass nach Ansicht der Behörden eine konkrete Gefahr für das Land besteht und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass Akteure die Absicht und die Fähigkeiten zum Verüben von Terroranschlägen haben.

Es werde davon ausgegangen, dass die Bedrohung durch Anschläge in dem skandinavischen Land noch „lange“ anhalten werde, sagte die Leiterin des schwedischen Geheimdienstes Säpo, Charlotte von Essen am Donnerstag. Die Entscheidung sei nicht auf einen „einzelnen“ Vorfall zurückzuführen, sondern auf eine „kollektive“ Einschätzung.

Al-Kaida hat zu Anschlägen in Schweden aufgerufen

In Schweden und auch im Nachbarland Dänemark hatte es zuletzt mehrfach Demonstrationen gegeben, bei denen der Koran angezündet oder die heilige Schrift der Muslime geschändet worden war. Die Protestaktionen hatten zu Spannungen zwischen den beiden nordischen und islamisch geprägten Ländern geführt.

Terroralarm in Schweden: Charlotte von Essen, Chefin des schwedischen Nachrichtendienstes Säpo (l.), und Ministerpräsident Ulf Kristersson.
Terroralarm in Schweden: Charlotte von Essen, Chefin des schwedischen Nachrichtendienstes Säpo (l.), und Ministerpräsident Ulf Kristersson. © dpa | Henrik Montgomery

Im Juli stürmten irakische Demonstranten zweimal die schwedische Botschaft in Bagdad und legten bei einem Mal auch Feuer auf dem Gelände. Das Terrornetzwerk Al-Kaida hatte mit Blick auf die Koranverbrennungen in einer mutmaßlichen Stellungnahme zu Anschlägen gegen Schweden und Dänemark aufgerufen. Großbritannien, die USA, Kanada und Neuseeland hatten ihre Bürger bereits vor Terrorattacken in Schweden gewarnt.

Schweden hält an Rede- und Versammlungsfreiheit fest

Schweden verschärfte angesichts der Lage seine Grenzkontrollen. Stockholm hat die Koranschändung verurteilt, hält aber an seinen Gesetzen zur Rede- und Versammlungsfreiheit fest. Die Regierung sagte zu, rechtliche Möglichkeiten zu prüfen, um Protestaktionen mit Verbrennungen von heiligen Schriften unter bestimmten Umständen zu unterbinden.

„Wir wissen, dass geplante Terrortaten abgewendet worden sind“, sagte der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson am Donnerstag. Er verstehe, dass viele Schwedinnen und Schweden besorgt seien. „Zu euch allen möchte ich sagen, dass wir unser Leben wie gewohnt leben sollten“, so der konservative Regierungschef. „Wir schützen unsere offene Gesellschaft gegen diejenigen, die sie bedrohen. Wir stehen für unsere demokratischen Werte ein, aber wir beschützen uns.“

Koranverbrennung hatte Nato-Beitritt Schwedens blockiert

Eine Koranverbrennung und eine gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gerichtete Protestaktion in Stockholm – damals noch verübt von anderen Personen und Gruppierungen – hatten Schweden Anfang des Jahres noch ein ganz anderes Problem beschert. Die Vorfälle manifestierten Erdogans Blockadehaltung zur beantragten Nato-Aufnahme des skandinavischen Landes damals weiter.

Bei einem Treffen mit Kristersson sowie Generalsekretär Jens Stoltenberg am Vorabend des Nato-Gipfels in Vilnius Mitte Juli gab Erdogan die Blockade dann nach Monaten auf. Dennoch haben die Türkei und Ungarn als die letzten beiden Nato-Mitglieder den schwedischen Beitritt noch nicht ratifiziert.

Hintergrund: Erpressung der Nato – Jetzt hat sich Erdogan verzockt