Berlin. Vulkanausbrüche sind gewaltige Ereignisse. Aber kann ein römischer Gelehrter eine Eruption am anderen Ende der Welt beobachtet haben?

Vulkanausbrüche gehören ohne Zweifel zu den gewaltigsten Naturereignissen, die sich auf der Erde beobachten lassen. So gewaltig sind die Mengen freigesetzter Energie, dass die Eruptionen selbst in Tausenden Kilometern Entfernung noch spürbar sind, Zeugnisse hinterlassen. So beschreibt vermutlich der römische Historiker Herodian den Ausbruch eines Vulkans, der aus seiner Perspektive am anderen Ende der Welt stattfand.

Als vor rund 1800 Jahren der Taupō auf Neuseeland Feuer und Asche spie, da will der – nicht ganz unumstrittene – römische Geschichtsschreiber Herodian in der Herrschaft des Marc Aurel göttliche Omen beobachtet haben: „Sterne erschienen vielfach bei Tage am Himmel sichtbar, andere ganz lang geschweift, dass es aussah, als hingen sie mitten in der Luft.”

Und er ist nicht alleine. Auch der chinesische Historiker Fan Ye beschreibt, einige Jahrhunderte nach Herodian, ein Ereignis, das mit dem Vulkanausbruch zusammenhängen könnte. In der Zeit des Kaisers Han Ling-ti (ca 168 bis 189 n. Chr.) soll sich der Himmel für viele Tage blutrot verfärbt haben.

Unklar ist allerdings, ob Herodian wirklich den Ausbruch des Taupō beobachten konnte. Allein schon, weil der Geschichtsschreiber als nicht besonders zuverlässig gilt und im Verdacht steht, es mit Fakten hier und da nicht so genau zu nehmen. Noch in den 1980er-Jahren ging die Wissenschaft aber davon aus, dass der Vulkan rund um das Jahr 180 n. Chr. ausbrach – damit hätte Herodian nicht nur von dem Ausbruch aus anderen Quellen erfahren können, sondern wäre tatsächlich Zeitgenosse gewesen.

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Vulkanausbruch: Glassplitter verraten sein Geheimnis

Neuere geologische Forschung aber stellt dies vehement infrage. So hat unlängst ein Forscherteam sechs Glassplitter im arktischen Eis gefunden, die eindeutig im Feuer des Taupō entstanden sind und von der Energie des Ausbruchs rund 5000 Kilometer weit geschleudert wurden. Vergraben unter 280 Metern ewigen Eises erzählen sie eine andere Geschichte als Herodian.

Seit 300.000 Jahren aktiv: der Taupō-Vulkan.
Seit 300.000 Jahren aktiv: der Taupō-Vulkan. © imago images/UIG | imago stock

Die nur ein Millionstel eines Meters großen Splitter stammen aus einem 764 Meter langen Bohrkern vom Ross-Eisschelf und deuten darauf hin, dass der Taupō im Jahr 232 n. Chr. ausbrach. Das Alter der Splitter bewegt sich damit in der Zeitspanne, die Geologen für den Ausbruch ausrufen und sich dafür unter anderem auf Ergebnisse von Radiokarbon-Untersuchungen von Baumstämmen verlassen, die im pyroklastischen Strom der Eruption für die Ewigkeit konserviert wurden. Demnach soll der Taupō im Jahr 232 ausgebrochen sein.

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Die geochemische Zusammensetzung der Glassplitter passt derweil zu anderen Proben der Eruption, besonders zu einem siebten Splitter, der vor rund 25.600 Jahren ebenfalls im Feuer des Taupō entstanden war. Dieser „doppelte Fingerabdruck“ schließe jede andere Quelle für die sechs Splitter aus, schreibt das Team in seiner im Fachmagazin „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie.

Vulkane: Unfassbare Kraft der Natur

Der Fundort im ewigen Eis hingegen verdeutlicht die unfassbare Kraft hinter der Eruption. „Eine gigantische Aschesäule dürfte riesige Mengen vulkanischer Teilchen mit nach oben genommen haben, wo sie vom Wind großflächig verblasen wurden“, sagte der Hauptautor der Studie, Stephen Piva, in einer Mitteilung der Universität Wellington.

Für Herodian bedeutet die Studie, dass der römische Geschichtsschreiber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht den Taupō-Ausbruch mitbekommen haben kann. Zwar hätten Untersuchungen vulkanischer Sulfate im Grönländischen Eisschild zunächst scheinbar bestätigt, dass Herodians Schilderungen zum Taupō passen. Aber eben nur scheinbar. „Diese Einschätzung ist widerlegt“, schreiben die Forscher.