Lazise. Wer die Hotspots deutscher Urlauber mal ohne Touristen erleben will, sollte jetzt hinfahren. Unsere Kolumnistin hat es ausprobiert.

Die letzten Sonnenstrahlen des Tages liegen warm auf meinem Gesicht. Tiefblau plätschern kleine Wellen an den Strand. Gleich wird die Sonne die Berge hinter mir golden aufleuchten lassen, bevor sie glutrot im Wasser versinkt. Richtig, ich bin im Urlaub. Im späten November sind wir einfach losgefahren Richtung Italien. Nun ist bald 1. Advent, doch die Spätsommergefühle nehmen kein Ende.

Vernazza, das wohl bekannteste Dorf der Cinque Terre. Ein paar Amerikaner haben sich auch noch in die Gegend verirrt. 
Vernazza, das wohl bekannteste Dorf der Cinque Terre. Ein paar Amerikaner haben sich auch noch in die Gegend verirrt.  © Birgitta Stauber-Klein

Das Sonnenuntergangsspektakel wiederholt sich seit zwei Wochen jeden Tag. Es trifft unser Herz in Ligurien, wo wir nahezu einsam von Levanto nach Monterosso wandern und uns in Vernazza zu einem Fotomarathon hinreißen lassen. In Lucca, während wir auf der Stadtmauer spazieren. In Pisa ist es natürlich das Marmorensemble aus Turm, Kathedrale und Taufkirche auf der Piazza dei Miracoli, das nun noch weißer zwischen dem Gold der Herbstsonne heraussticht.

Verona, vom Castel San Pietro aus gesehen, versinkt am Nachmittag ganz in Orange, ganz zu schweigen von der Süd-Ostseite des Gardasees. Dort weitet sich der Blick, als würde er nicht auf einem See ruhen, sondern auf dem endlosen Horizont am Meer.

Italien nur mit Italienern: Das gibt einen ganz anderen Sound

Kurz: Ich habe Italien nie so schön erlebt wie in diesen Wochen. Dabei liegen die Dörfer im Winterschlaf. Wo sich sonst Touristen durch die Gassen schieben, verirren sich jetzt nur noch ein paar einheimische Ausflügler. Wer in Pisa den schiefen Turm besteigen will, kauft sich einfach ein Ticket und marschiert die Treppen hoch. Und im mondänen toskanischen Badeort Forte dei Marmi treffen sich nur ein paar durchgestylte italienische Familien zum Sonntagsspaziergang. Lediglich in den Cinque Terre sind einige Amerikaner übriggeblieben.

Nur ein paar Touristen schlendern auf dem Platz dei Miracoli in Pisa umher. Wer auf den Turm will, kauft sich einfach ein Ticket – ganz ohne Wartezeit.
Nur ein paar Touristen schlendern auf dem Platz dei Miracoli in Pisa umher. Wer auf den Turm will, kauft sich einfach ein Ticket – ganz ohne Wartezeit. © Birgitta Stauber-Klein

Es ist sozusagen Italien pur. Die Deutschen sind weg, das gibt den Städten einen ganz anderen Sound. Die Bewohner holen sich ihre Einkaufsstraßen zurück, ihre Bars, ihre Restaurants. So genießen auch sie den Sonnenuntergang beim

Aperol Spritz

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    in der einzigen Bar, die noch geöffnet ist, treffen sich zum Gläschen Lugana mit Stuzzichini nach dem Einkaufssonntag in den Gassen von Verona, auf den Weihnachtsmärkten am Ostufer des Gardasees. Dort gibt es mit Frittelle, eine Art italienischer Donut, Salami aus Südtirol und Parmesan aus dem Apennin.

    Der zu Italo-Kitsch verkommenen Sehnsucht der Deutschen nach Dolce Vita – wir geben ihr in diesen späten Wochen des Jahres nach: Ob beim Blick über Pisa vom Schiefen Turm aus oder in der Kathedrale Sant‘Anastasia von Verona, dessen gotische Schönheit im Sommergetümmel kaum wahrnehmbar ist, weil die Schlange davor lang und der Eintrittspreis hoch ist. Nun spazieren wir einfach hinein.

    Autorin Birgitta Stauber ganz entspannt am Touristen-Hotspot in Pisa.
    Autorin Birgitta Stauber ganz entspannt am Touristen-Hotspot in Pisa. © Birgitta Stauber-Klein

    Zu dick aufgetragen? Mag sein. Irgendwie ist es tatsächlich unwirklich: das dauerhaft gute Wetter, die angenehme Sonne, die üppigen Farben auf unseren Wanderungen. Eine Kombination, die regelrecht penetrant in den Erholungsmodus führt.

    Was uns herausreißt, sind die Anrufe unserer Tochter, die gerade am schlechten Wetter in der deutschen Kleinstadt, wo sie sich durch das erste Semester kämpft, verzweifelt. Sie hat die Stimme verloren, die Bronchien sind zu, die Nebenhöhlen dicht. Der Sohn klingt auch immer noch verschnupft, dabei ist die Erkältung seit Wochen vorbei. Die ältere Tochter jammert, dass es furchtbar kalt sei in Berlin und sie neue Stiefel brauche. Während ich den Risotto auf dem italienischen Gasherd rühre, verspreche allen einen Zuschuss.

    Freier Blick auf den Monte Baldo: abgeerntete Weinberge hinter Lazise.
    Freier Blick auf den Monte Baldo: abgeerntete Weinberge hinter Lazise. © Birgitta Stauber-Klein

    Und nun sitzen wir im Zug, auf dem Weg zurück nach Berlin. Es schneit dort seit Tagen. Wir werfen noch mal einen letzten intensiven Blick auf die italienische Adventssonne, die jetzt nur noch schwach ins Abteil scheint. Inzwischen fahren wir direkt zu auf die Berge, deren Gipfel von dicken Wolken verhüllt sind. Und dann, am Brenner, wird aus den schroffen Südtiroler Alpen vor tiefblauem Himmel eine diesige, verhangene Bergwelt im Schneegestöber.

    Italiener in München lieben Schnitzel und Bier

    Die Heizung im Zug läuft auf Hochtouren. Ich denke, dass ich für den eintägigen Zwischenstopp in München nicht gerüstet bin. Ich habe keine Handschuhe dabei und keine Mütze. Tatsächlich stapfen wir in Halbschuhen durch dichtes Schneetreiben zu einem bayerischen Gasthof, wo uns Entenkeule, Schweinsbraten, Schnitzel und Bier erwarten.

    Die Highlights der bayerischen Gastronomie werden auch am Nebentisch aufgefahren. Dort sitzt eine Gruppe italienischer Touristen. Sie prosten sich mit dicken Bierkrügen zu. Wahrscheinlich sind sie begeistert vom Essen und vom Schnee. Und werden dann zu Hause erzählen: So schön ist es jetzt in Deutschland.