Moskau. Eine junge Russin ist für den Mord an einem Militärblogger verurteilt worden. Sie muss nun viele Jahre in ein russisches Straflager.

27 Jahre muss die die 26-jährige Darja Trepowa im Straflager verbringen. Ein Jahr weniger als das, was die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Verurteilt wurde die junge Frau wegen ihrer Beteiligung am tödlichen Bombenattentat auf den Militärblogger Wladlen Tatarski im April vergangenen Jahres. Ihre Beteiligung scheint erwiesen – doch ansonsten hat der Gerichtsprozess kaum neue Erkenntnisse über die Hintergründe des Anschlages gebracht.

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„Ich studiere an der Akademie der Künste an der Fakultät für Bildhauerei. Ich habe Dir ein Geschenk, eine Skulptur mitgebracht“, erinnert sich eine Augenzeugin an den Auftritt von Darja Trepowa im Café „Stritfud-Bar No.1“, im Zentrum von Sankt Petersburg. Die gehörte dem damaligen Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, der später unter ungeklärten Umständen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.

Anschlag auf Militärblogger in Russland: Verdächtige festgenommen

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    Eingeladen zu einem „kreativen Abend“ hatte der Diskussionsclub „Cyberfront Z“. Auftreten sollte Wladlen Tatarski, ein in der Szene bekannter ultranationaler Militärblogger, dessen richtiger Namen Maxim Fomin lautet. Laut Veranstaltungsplakat wollte er erzählen „wie es ist, unter Kugelhagel aus Krisenherden zu berichten, und auch erklären, was es bedeutet, ein Militärkorrespondent zu sein“. Vor Tatarskis Auftritt gab es Gerüchte, Prigoschin selbst würde mit dabei sein. Doch der Söldnerführer blieb der Veranstaltung fern. 60 bis 100 Besucher kamen an diesem Abend, so Schätzungen. Unterstützer des Krieges in der Ukraine und Vertreter von Organisationen, die mit Prigoschins Söldnergruppe Wagner verbunden waren. Sicherheitsmaßnahmen gab es keine, auch keine Metalldetektoren.

    Gerichtsprozess brachte kaum neue Erkenntnisse

    Dann überreichte Darja Trepowa ihr ‚Geschenk‘. „Plötzlich explodierte alles. Und wir rannten. Diejenigen, die in der Nähe waren, liefen blutend davon“, so ein Augenzeuge. Der 40-jährige Tatarski war auf der Stelle tot. 32 weitere Menschen wurden verletzt. Der Sprengsatz war in der Skulptur eingebaut, die Darja Trepowa mitgebracht hatte.

    Russische Ermittler inspizieren das beschädigte Café in Sankt Petersburg nach der Explosion.
    Russische Ermittler inspizieren das beschädigte Café in Sankt Petersburg nach der Explosion. © AFP | OLGA MALTSEVA

    Verurteilt wurde sie aufgrund von drei Straftaten: Begehung eines Terroranschlags, illegaler Handel mit Sprengstoffen und Urkundenfälschung. Letzteres gab die junge Frau zu, in der Tat habe sie einen gefälschten Ausweis verwendet. Damit wollte sie sich als Bildhauerin ausgeben, die den Krieg in der Ukraine unterstützt. Von der Bombe aber habe sie nichts gewusst. Sie ging nach eigenen Angaben davon aus, dass die Statue nur ein verstecktes Abhörgerät enthielt. Im Dunklen bleibt, von wem sie Ausweis und Bombe bekommen hatte, wer die Hintermänner des Anschlages waren. Laut Staatsanwaltschaft sei die Explosion „aus der Ferne“ über eine in der gekaufte estnische SIM-Karte ausgelöst worden.

    Angeklagte: Angeblich erhielt sie den Auftrag aus der Ukraine

    Vor Gericht behauptete die Angeklagte, auf Anweisung eines Mannes in der Ukraine gehandelt zu haben. Dieser habe ihr Geld gegeben und Anweisungen geschickt. „Ich empfinde großen Schmerz und Scham, dass meine Leichtgläubigkeit und meine Naivität zu solch katastrophalen Folgen geführt haben. Ich wollte niemanden verletzen“, sagte Trepowa vor Gericht. Ihre Verteidiger argumentierten, ihre Mandantin sei ebenfalls ein Opfer des Anschlags, da sie nur wenige Meter von Tatarski entfernt saß und selbst hätte getötet werden können.

    Darja Trepowa war unter Sankt Petersburger Polit-Aktivistinnen als „Dascha Tykowka“ bekannt, berichtete das Onlinemedium Meduza. Die junge Frau habe als Verkäuferin in einem Vintage-Bekleidungsgeschäft gearbeitet. Laut der Menschenrechtsorganisation OVD-Info wurden Darja Trepowa und und ihr Ehemann Dmitri Rylow am 24. Februar 2022 bei einer Anti-Kriegs-Kundgebung von der Polizei festgenommen. Trepowa erhielt damals zehn Tage Verwaltungsarrest.

    Tatarski war einer der populärsten Militärblogger Russlands

    Der Militärblogger und Kriegsberichterstatter Tatarski war eine schillernde Person. Wegen bewaffnetem Raubüberfall saß er im Gefängnis. Ab 2014 kämpfte er zunächst als Aufständischer für die Unabhängigkeit des russisch kontrollierten Donbass, ehe er sich dem Journalismus zuwandte. Er verbreitete in seinem Blog Videos vom Frontgeschehen in der Ukraine und gab zuletzt jungen russischen Soldaten Tipps, wie sie sich in den vordersten Linien verhalten sollten.

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    Tatarski war einer der populärsten Militärblogger Russlands, deren Einfluss seit Beginn der „Spezialoperation“ in der Ukraine im Februar 2022 stark zugenommen hat. Militärblogger verfügen oft über Quellen im Militär und veröffentlichen Informationen häufig vor der Regierung oder den russischen Staatsmedien. Zunehmend aber übten sie aber auch Kritik an der russischen Militärstrategie. Genau wie Wagner-Chef Prigoschin vor seinem Tod. Heute ist die Kritik weitgehend verstummt.

    Zu den Drahtziehern des Anschlages brachte der Prozess keine neuen Erkenntnisse. Unmittelbar nach dem Attentat hatte das russische „Nationale Anti-Terror-Komitee“ behauptet, dass der Anschlag von ukrainischen Geheimdiensten unter Beteiligung von „Agenten aus dem Kreis der Personen, die mit der sogenannten Nawalny-Antikorruptionsstiftung zusammenarbeiten“ geplant wurde. Das Team des inhaftierten Kremlkritikers Nawalnys dementierte umgehend.

    Russland vermutet Ukraine hinter diversen Anschlägen

    Der Parlamentsabgeordnete Leonid Sluzki, Vorsitzender der ultranationalistischen Partei LDPR, vermutet gleichfalls eine „ukrainischen Spur“. Söldnerchef Prigoschin sagte hingegen, er würde dem „Regime in Kiew“ nicht die Schuld geben. Und der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak wiederum wollte kurz nach dem Anschlag wissen, in Russland mache sich „Inlandsterrorismus“ breit. Es habe sich um eine interne Abrechnung in russisch-nationalistischen Kreisen gehandelt.

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    Seit Beginn der Offensive in der Ukraine hat Moskau Kiew wiederholt vorgeworfen, hinter Anschlägen in Russland zu stecken, darunter auch jenem auf Darja Dugina, die Tochter des ultranationalistischen Ideologen Alexander Dugin. Sie war im August 2022 außerhalb von Moskau bei einem Bombenanschlag auf ein Auto getötet worden. Auch die Hintergründe dieses Attentats sind nach wie vor ungeklärt.