Berlin. Im Gespräch mit Russlands Präsident lässt sich der US-Talkmaster bereitwillig vorführen – eine Szene, die viel über beide aussagt.

Für sein Interview mit Russlands Präsident Wladimir Putin erntet der US-Moderator Tucker Carlson derzeit reichlich Häme. Unvorbereitet und zu weich sehr er gewesen, lautet die Kritik nicht nur von Medienexperten. Der Amerikaner habe seinem Gegenüber zu viel Raum gelassen für seine Propaganda-Show.

Dass sich der Kreml überhaupt auf ein Gespräch mit Carlson eingelassen hatte, war damit begründet worden, dass er sich „von der Position der traditionellen angelsächsischen Medien“ unterscheide. Er sei nicht „prorussisch oder proukrainisch, sondern eher proamerikanisch“, hatte Putins Sprecher erklärt.

Dass sich der Präsident sehr genau mit seinem Gegenüber beschäftigt hat, bewies ein kleines Detail in dem Interview, das bislang kaum Beachtung erhielt. Putin bemerkte im Gespräch, dass Carlson versucht hatte, nach dem College beim Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten CIA anzuheuern – und damit gescheitert war. „Wir sollten Gott danken, dass Sie nicht reingelassen wurden“, erklärte Putin mit einem Schmunzeln. „Wenngleich es eine ernsthafte Organisation ist, wie ich höre.“ Die Ironie in der Stimme des Präsidenten ist kaum zu überhören. Und Carlson reagiert auf die Spitze mit versteinertem Gesicht.

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Tatsächlich war es das Magazin „The New Yorker“, das 2017 erstmals über die Bewerbung Carlsons für die CIA berichtet hatte. In dem Bericht heißt es, die US-Behörde lege aber – anders als ihre fiktionalen Nachbildungen – Wert darauf, dass junge Mitarbeiter nicht „geschwätzig und aufsässig“ seien. Auf Vorschlag seines Vaters, des bekannten US-Investigativjournalisten Dick Carlson, habe er danach umgesattelt und als Redakteur bei der „Arkansas Democrat-Gazette“ in Little Rock angefangen. Der Rest ist Teil einer recht außergewöhnlichen Geschichte vom Aufstieg eines Nobobys zum Scharfmacher der konservativen Bubble in den USA.

Putin nutzt Carlson, um CIA der Sabotage zu bezichtigen

Dass der Kreml-Chef die Vita seines Gegenübers sehr genau studiert haben muss, überrascht kaum. Allerdings muss ihm dieses Detail in Carlsons Biografie besonders gefallen haben. Immerhin ist Putin selbst jahrelang beim russischen Geheimdienst gewesen, war als Offizier 1985 bis 1990 in der damaligen DDR für den KGB tätig. Das erklärt womöglich auch die Süffisanz, mit der er den Moderator auf sein damaliges Scheitern anspricht. Auf die CIA war das Gespräch gekommen, nachdem Carlson nach dem Urheber des Anschlags auf die Nord Stream-Pipeline gefragt hatte. Bekannt ist, dass er selbst die Nato dafür verantwortlich macht.

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Putin griff die Steilvorlage dankbar auf und warf der CIA vor, den Anschlag ausgeführt zu haben. Beweise dafür lieferte er nicht, aber Carlson hakte auch nicht nach. Stattdessen nutzte Russlands Präsident die Sendezeit für Vorwürfe gegen Deutschland („sehr inkompetente Leute“) und das Versprechen, Polen nicht anzugreifen – es sei denn, Polen greife Russland an. Russische Medien feierten den Auftritt Putins und betonten, wie groß die Reichweite des Videos, das Carlson auf X veröffentlichte, sei. Mehr als 60 Millionen Mal sei es aufgerufen worden, berichtete etwa das Staatsfernsehen auf seiner Webseite.

Die Boulevardzeitung „Komsomolskaja Prawda“ sammelte in einem Artikel unter der Überschrift „Ich bin nah daran, die russische Staatsbürgerschaft zu beantragen“ vor allem lobende Kommentare auf X. Medienexperten werten das Interview als Versuch, vom Verbot der Registrierung von Boris Nadeschdin für die Präsidentschaftswahl im März abzulenken. Eine Wahlkommission hatte den Kriegsgegner als Kandidaten am Donnerstag abgelehnt – mit der Begründung, eine Vielzahl der Unterschriften seiner Unterstützer sei fehlerhaft gewesen. Damit treten neben Putin, der zum fünften Mal Präsident werden will, drei weitere Kandidaten an.