Gera. Unser Landtags-Reporter Elmar Otto berichtet dem OTZ-Leserbeirat über die Besonderheiten von Wahlen in Thüringen, der aktuellen Lage und wagte einen Ausblick.

Bereits zum dritten Mal tagte der OTZ-Leserbeirat. Nach jeder Sitzung wollen wir die Leser über die Ergebnisse der mehrstündigen Runde informieren. Diesmal ging es um die Politik-Berichterstattung in unserer Zeitung. Im Gespräch mit den Beiräten sprach unser Politikredakteur Elmar Otto über…

…Politik in Thüringen: Es war und ist nie langweilig. Geräuschlose Übergänge wie in anderen Bundesländern gibt es selten. Als ich 1998 nach Thüringen kam, regierte die CDU mit absoluter Mehrheit unter Bernhard Vogel, innerhalb der Legislaturperiode kam Dieter Althaus an die Spitze. Nach seinem Absturz übernahm Christine Lieberknecht, die erste CDU-Ministerpräsidentin eines Bundeslandes wurde und mit der SPD koalierte. Bei der nächsten Wahl musste die CDU nach beinahe einem Vierteljahrhundert Regierungsverantwortung in die Opposition. Bodo Ramelow wurde erster linker Ministerpräsident und führte ein rot-rot-grünes Bündnis an – damals mit knapper Mehrheit. Dem Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich folgte erneut Bodo Ramelow, diesmal aber mit einem anfangs von der CDU tolerierten Minderheitskonstrukt, das schönmalerisch „Stabilitätspakt“ genannt wurde. Wahlen in Thüringen waren immer etwas Besonderes.

Elmar Otto.
Elmar Otto. © Mantel | Peter Michaelis

…Landratswahlen: Sowohl jüngst in Schleiz als auch zuvor in Sonneberg spielte ein großes Missverständnis eine entscheidende Rolle. Da wie dort war es vor allem die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung, die viele Wähler dazu bewegte, ihr Kreuz bei der AfD zu machen. Wenn ich mit Menschen etwa in Sonneberg ins Gespräch kam, ging es immer um das Heizungsgesetz, sogar bei Leuten, die gar kein Wohneigentum besaßen. Darauf hat ein Landrat aber gar keinen Einfluss. Doch das hat nicht interessiert, so tief saß der Frust. Selbst die Flüchtlingsthematik wurde von der Heizungsdebatte überlagert. Und das in einem Landkreis, in dem es den vielen Pendlern, die im benachbarten Bayern arbeiten, ganz gut geht. Damals waren die Fronten extrem verhärtet, mittlerweile hat sich die Aufregung um das Heizungsgesetz etwas gelegt und die Stimmung kippt langsam, weil nun, auch durch die vielen Demonstrationen, viele begriffen haben, was in den Köpfen dieser Leute vor sich geht.

…das mediale Interesse an Wahlen in Thüringen: Bei der Stichwahl in Sonneberg war das Hotel voller Journalisten. Nicht nur aus ganz Deutschland, auch internationale Zeitungen und Sender wollten wissen, was ist denn da in Thüringen los? Das wird bei der Landtagswahl im September kaum anders werden.

Die AfD schürt die Ängste der Menschen

…die Taktik der AfD: Mit lokalen oder kommunalen Alltagsthemen kann die AfD nicht so punkten wie mit umstrittenen Bundesthemen, etwa dem Heizungsgesetz oder der Flüchtlingspolitik. Auch Nachfragen sind oft unerwünscht, deshalb werden Streitgespräche oder ähnliche Formate gern kurzfristig abgesagt. Die AfD schürt mit großen Schlagworten die Ängste der Menschen.

…den Umgang mit der AfD im Landtag: Ausgrenzen ist keine gute Idee, finde ich, man sollte sie lieber mit Argumenten entzaubern. Allerdings ist nicht jeder im Landtag dieser Meinung – bis heute gibt es etwa keine Vizepräsidentin oder einen Vizepräsidenten der AfD. Ein Verbotsverfahren dauert sehr lange, der Ausgang ist kaum abzuschätzen. Man sollte ihr mit demokratischen Mitteln begegnen. Und bei der Wahl den Trotz abschütteln und genau überlegen, wem man seine Stimme gibt. Die AfD macht keine Politik für die „kleinen Menschen“, auch wenn sie das gern vermittelt.

Vorsichtiger Umgang mit Lob und Kritik

…Kritik von Politikern: Das ist immer ein zwiespältiges Gefühl. Wenn mich eine Seite kritisiert, weil ich etwas Schlechtes über sie geschrieben habe, denke ich meistens, alles richtig gemacht. Lobt sie mich, weil ich etwas Schlechtes über die andere Seite geschrieben habe, komme ich eher ins Zweifeln.

…den Ausgang der Landtagswahl: Das Ergebnis ist kaum vorherzusagen. Die AfD hat derzeit die Nase deutlich vorn. Entscheidend dürfte aber sein, welche kleinen oder neuen Parteien es in den Landtag schaffen. Was sicher ist: Es wird super spannend und keinesfalls langweilig. Also eigentlich wie immer.