Kiew. Drohnen übernehmen zentrale Aufgaben im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Doch Experten schauen fasziniert auf die neuen Landroboter.

Im Abwehrkrieg gegen Russland muss sich Kiew zwingend in Sachen asymmetrischer Kriegsführung weiterentwickeln. Schließlich liegt das maximale Mobilisierungspotenzial Russlands mindestens dreimal höher als das der Ukraine. Hier gibt es nun deutliche Fortschritte: Neben den üblichen First-Person-View-Drohnen und den innovativen Seedrohnen kommt auch verschiedenen Landrobotern eine immer wichtigere Rolle auf dem Schlachtfeld zu. Damit kann die Militärführung die eigenen Soldaten schonen, ohne die Qualität der Operationen zu gefährden.

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Roboter werden in der Ukraine bereits während des seit 2014 laufenden Donbass-Krieges entwickelt. Doch den Landrobotern kommt erst seit dem russischen Überfall im Februar 2022 eine größere Bedeutung zu. Nun verfügen die ukrainischen Streitkräfte über ein vielschichtiges Arsenal an bodengestützten Drohnen, zu denen robotisierte sogenannte Drehringlafetten auf automatisierten Plattformen und Aufklärungsplattformen und multifunktionale Landdrohnen gehören.

Ein ukrainischer Soldat im Schützengraben: Robotersysteme können an der Front helfen, Verwundete zu retten und Munition nachzuliefern.
Ein ukrainischer Soldat im Schützengraben: Robotersysteme können an der Front helfen, Verwundete zu retten und Munition nachzuliefern. © AFP | ANATOLII STEPANOV

Ukraine-Krieg: Roboter helfen Ukraine massiv

Wolodymyr Silenko, Kommandeur einer mechanisierten ukrainischen Brigade, hält die verstärkte Produktion und den Einsatz der Landrobotersysteme für unausweichlich. Jedoch sei es wichtig zu verstehen, dass der Roboter immer noch von einem Bediener gesteuert werde, sagt Silenko. Da komme es allerdings noch darauf an, wie weit der Soldat von der Plattform entfernt sein kann. Gleichzeitig sagt Silenko, es sei gut, dass mit den Robotern nur noch eine Person einem erhöhten Risiko ausgesetzt sei – nicht mehr zwei oder drei, wie bei anderen Verteidigungssystemen. Die Ukraine muss nun Lösungen finden, um die Reichweite zu erhöhen und der starken elektronischen Kampfführung der Russen erfolgreich zu begegnen.

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Allerdings sieht Silenko auch Nachteile bei den Landrobotern: Anders als bei Drohnen sei die Sicht im Sommer, bei hochgewachsenen Gräsern und in voller Blüte stehenden Sträuchern, beeinträchtigt. Außerdem könnten Probleme durch schwierige Geländebedingungen entstehen: „So eine Maschine kann auf einem Frontabschnitt sehr effektiv sein – und auf einem anderen nicht.“

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Doch um welche Roboter handelt es sich konkret? Diese Landroboter werden in der Ukraine derzeit an der Front eingesetzt:

  • Prominent im Einsatz ist die Drehringlafette Schablja („Säbel“), die seit Herbst 2023 vor allem zusammen mit der Roboterplattform Rys („Luchs“) eingesetzt wird. Auf dem Schablja-Turm können Maschinenwerfer, Granatenwerfer und andere Waffen installiert werden. Soldaten können das Gerät aus bis zu zwei Kilometern Entfernung steuern. Der Turm ist sowohl mit einer Video- als auch mit einer Wärmebildkamera ausgestattet. Die Plattform Rys transportiert die Lafette und wird ebenfalls per Fernbedienung gelenkt – mit einem Pult.
  • Die unbemannte Roboterplattform GNOM, primär für Aufklärung und Überwachung entwickelt, kann Lebensmittel und Munition liefern sowie Verwundete evakuieren (mithilfe eines kleinen Zusatzwagens) und die Funkkommunikation verbessern. GNOM kann die militärische Lage an der Front innerhalb von fünf Kilometern Radius aufklären. GNOM empfängt, verstärkt und überträgt Funksignale, was auch beim Koordinieren der Drohnen sowie der Armeeeinheiten hilfreich ist.
  • Die Ukraine setzt auch die unbemannten Bodenfahrzeuge THeMIS des estnischen Herstellers Milrem Robotics ein, die sowohl mit als auch ohne Waffen eingesetzt werden können. Sie sollen vor allem Verwundete von der Front holen können.
  • Die Entwicklung des Mini-Schützenpanzers Phantom-2 des staatlichen ukrainischen Rüstungskonzerns Ukroboronprom wird mit Spannung erwartet: Er verfügt über Tag- und Nachtzielsysteme und kann aus einer Entfernung von mehr als einem Kilometer auf das Ziel schießen. Dieser Roboter ist auf Basis eines Vier-Achs-Fahrgestells aufgebaut und wird mit Raupenketten ausgestattet. Insgesamt kann Phantom-2 bis zu 130 Kilometer bei einer Maximalgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde bewältigen. Die Soldaten steuern den Roboter über einen sicheren Funkkommunikationskanal mit einer Reichweite von bis zu 20 Kilometern.

Wann Phantom-2 an der Front erscheinen könnte, ist unklar. Doch auch die Systeme, die bereits von den Ukrainern an der Front eingesetzt werden, zeigen eindrücklich: Die klassische Artillerie spielt im modernen konventionellen Krieg zwar weiterhin die erste Geige, doch solche Technologien werden unvermeidlich immer bedeutender.

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Russland-Reportagen von Jan Jessen