Berlin. Das Volkshochschul-Italienisch lässt sich im Restaurant um die Ecke besser vertiefen als im Urlaub, so die Erfahrung unserer Kolumnistin.

Der Italiener im Restaurant bei uns gegenüber singt. Nicht irgendwas, sondern Opernarien. Vor allem „O sole mio“. Ich denke mir immer, ist ja gut jetzt; Junge, du musst ja nicht alle Klischees übererfüllen. Er singt, wenn er die Speisekarten bringt, sagt, „wase wollene sie trinkene“, ich sage wie aus der Pistole geschossen: „Acqua frizzante e un bicchiere di primitivo.“ „Certo Signora, subito.“ Der Gatte will „Wasser mit Sprudel und ein Glas Sauvignon blanc“. Da fällt mir auf: Wieso bestelle ich eigentlich auf Italienisch?

Am Nachbartisch sitzt noch ein Pärchen. „In italiano“? fragt der Kellner, dann singt er wieder, diesmal Italo-Pop, „Su di noi“. Sie sagt: „Sì, certo, come sempre“, und dann bestellt sie eben, wie ich, in Italiano. Ihr Begeiter schiebt einen gewaltigen Bauch vor sich her, deshalb braucht er die große Stoffserviette, und dann sagt er, er nehme „den Auflauf mit Fleischbällchen, vorher die gemischte Vorspeisenplatte für zwei und eine Flasche Lugana“. „Subito, Signore.“

Frauen lernen für Urlaub und Liebe Italienisch. Männer für den Job. Echt jetzt?

Der Kellner tänzelt im Walzerschritt davon, summt „La donna è mobile“, lamentiert auf Deutsch-Italienisch über das Wetter, streicht die rot-weiß-karierten Tischdecken glatt, kneift dem achtjährigen Jungen, dem gerade sein Smartphone von den Eltern weggenommen wird, leicht in die Wange, sagt: „Und einene großene Schnapsä für dene jungene Manne.“

Ich frage mich, ob die Italienisch-Kurse an den Volkshochschulen deshalb immer sofort ausgebucht sind, damit wir uns beim Kiez-Italiener für unsere Sprachkenntnisse bewundern lassen können. Ich frage mich auch, warum es vor allem Frauen sind, die sich einschreiben. Wir hatten nur zwei Männer im Kurs: Der eine lernte für die Hochzeit seiner Tochter, sie heiratet einen Italiener und er will seine Rede auf Italienisch halten. Der andere arbeitete für eine Firma, die ihre wichtigsten Kunden in Mailand hat. Wir zehn Frauen lernten für den nächsten Urlaub oder für die große Liebe, also eher just for fun. Eine Studentin noch für ihren geplanten Erasmus-Aufenthalt in Padua.

Schreibt in ihrer Kolumne Frauengold über Familie und Gesellschaft: Birgitta Stauber, Textchefin.
Schreibt in ihrer Kolumne Frauengold über Familie und Gesellschaft: Birgitta Stauber, Textchefin. © Berlin | Reto Klar

Ich kann seitdem ein

Auto in Italien mieten

Einsteigen und das Reiseland flexibel erkunden: Ein Mietauto macht's möglich.
Einsteigen und das Reiseland flexibel erkunden: Ein Mietauto macht's möglich. © Christin Klose/dpa-tmn
Schäden am Mietauto fotografiert man bei der Übergabe sicherheitshalber auch selbst. Das ist ein zusätzlicher Nachweis, falls es bei der Rückgabe Probleme geben sollte.
Schäden am Mietauto fotografiert man bei der Übergabe sicherheitshalber auch selbst. Das ist ein zusätzlicher Nachweis, falls es bei der Rückgabe Probleme geben sollte. © Bernd Diekjobst/dpa-tmn
Schild einer Autovermietung auf Mallorca: Gebucht hat man den Wagen idealerweise schon von Deutschland aus.
Schild einer Autovermietung auf Mallorca: Gebucht hat man den Wagen idealerweise schon von Deutschland aus. © Clara Margais/dpa/dpa-tmn
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, im Hotel einchecken, einkaufen und ein wenig Small Talk. Leider kommt nur selten eine echte Kommunikation auf: Entweder verfallen Italiener sofort in ihr mehr oder weniger gutes Englisch, wenn sie mit mir sprechen, oder sie werfen mich vor lauter Freude und Redseligkeit in ein Sprachbad, für das meine einstudierten Lehrbuchdialoge nicht ansatzweise genügen.

In deutschen Großstädten laufen ja auch jede Menge Leute herum, die es zwar schaffen, beim Bäcker Brötchen zu kaufen, aber sonst ziemlich mit der komplexen deutschen Grammatik hadern. Viele lassen es gleich bleiben, es sind die sogenannten Expatriates, die für ein paar Semester zum Studieren kommen oder die von ihrem Unternehmen, für das sie arbeiten, ins Ausland geschickt wurden.

Deutschkenntnisse? In Großstädten reicht Englisch völlig aus

In Berlin, München oder Hamburg kommen sie bestens ohne jegliche Deutschkenntnisse klar, vorausgesetzt, sie sprechen Englisch. Ich habe einen Nachbarn aus einem arabischen Land, der seit Jahren an der Uniklinik forscht, aber selbst an der Brottheke von der Verkäuferin Englisch abverlangt. Und die Hipster-Cafés, in denen man den Matcha Latte nur auf Englisch bestellen kann, sind ja längst legendär.

Neulich fragte mich auf der Straße jemand nach dem Weg, was selten geworden ist dank Google und Co. Er wollte wissen, welche S-Bahn er nehmen muss. Ich hörte sofort, wie mühsam er seine Sätze konstruierte. Lehrbuch-Deutsch, dachte ich. Kapitel: So fragen Sie nach dem Weg. Ich verfiel automatisch ins Englische, er dann auch. Hinterher ärgerte ich mich. Ich hätte ihm die Chance geben sollen, seinen Dialog zu üben. Ich hätte ihm den kleinen Triumph ermöglichen sollen, im Alltag doch ganz gut klarzukommen.

Der Kiez-Italiener macht es besser. Er übt mit mir, wenn ich komme. Verbessert mich auch, wenn ich mich im Präpositionswirrwarr verheddere. Ich frage mich, was er macht, wenn einer der englischsprechenden Expats kommt. Er wird einfach weitersingen. Und wenn sie weder das Wort Lasagne verstehen noch Auflauf, dann wird er erklären: Casserole. Mit Betonung auf dem letzten E.