Kiffen auf dem Erfurter Domplatz? Mit Joint in der Hand im Auto unterwegs? Das gilt für Cannabis-Konsumenten ab Montag in Thüringen.

Lange wurde gerungen, nun steht es fest: Ab Ostermontag darf in Deutschland und damit auch in Thüringen legal gekifft werden. Allerdings nicht überall und mit Einschränkungen. Wie genau das Gesetz nun im Freistaat umgesetzt wird, wie die Polizei kontrollieren will – und welche „Magie“ wohl in der Nacht zum 1. April zum Tragen kommt:

Was genau gilt ab dem 1. April?

Wer 18 und älter ist, darf zu Hause bis zu 50 Gramm Cannabis aufbewahren und draußen maximal 25 Gramm mit sich führen. Es geht explizit um den Eigengebrauch. Weitergabe und Verkauf bleiben verboten. Zu Hause dürfen außerdem drei Pflanzen angebaut werden. Samen, Pflanzen und geerntetes Cannabis müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden, beispielsweise in abschließbaren Schränken und Räumen.

Wo darf überall geraucht werden?

Der Konsum „in unmittelbarer Gegenwart“ von unter 18-Jährigen ist verboten, ebenso in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr. Untersagt wird Kiffen auf Spielplätzen, in Schulen, Sportstätten, Kinder- und Jugendeinrichtungen und jeweils in Sichtweite davon - also in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Die Thüringer Polizei will in den ersten Tagen vor allem auf diese Abstände schauen. Die Schätzungen der Beamten sollen „lebensnah betrachtet und mit einer adäquaten Toleranz“ sein, wie ein Sprecher sagte. Für ein mögliches weiteres Verfahren müssten die Abstände aber rechtssicher erfasst werden.

Auf Stadtplänen im Internet können Menschen entsprechende Bannmeilen einzeichnen. Geht man nach dieser Karte, stünde dem Kiffen auf dem Domplatz oder der Krämerbrücke in Erfurt, in weiten Teilen des Weimarer Ilm-Parks oder auf Teilen des Jenaer Marktplatzes nichts im Wege. Zumindest in den Stadtzentren gibt es aber auch etliche Bereiche, in denen kein Konsum erlaubt sein dürfte.

Wo sind Anbauvereine geplant?

Zum 1. Juli werden auch Anbauvereinigungen erlaubt. Also so etwas wie Clubs für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder Cannabis anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben - am Tag höchstens 25 Gramm je Mitglied und im Monat höchstens 50 Gramm. Er gehe davon aus, dass in fast jeder größeren Stadt Thüringens ein solcher Club komme, sagte der Landessprecher des Hanfverbands Thüringen, Friedemann Söffing, der in Weimar selbst einen aus der Taufe hebt. „Aus sehr vielen Städten kamen in den vergangenen Tagen sehr viele Anfragen. Die wollen jetzt bald starten.“ Aktuell sichte er viele Satzungen aus dem ganzen Land. Geschäfte, in denen man Cannabis kaufen kann, sind weiterhin nicht erlaubt. Laut MDR sollen alleine für den Cannabis Social Club in Erfurt bereits 600 Anmeldungen vorliegen. Der Verein darf aber nur 500 Mitglieder aufnehmen, sodass es in der Landeshauptstadt einen zweiten Club geben wird. Auch in anderen Städten, wie Eisenach, Meiningen oder Ilmenau wollen sich Interessierte zusammenfinden.

Wie kommt man am 1. April legal an Cannabis?

Die offizielle Antwort lautet: Anbauvereinigungen sind erst ab Juli erlaubt und die ab April erlaubten Pflanzen brauchen grob drei Monate, bis sie erntereif sind. Die inoffizielle Antwort lautet: «Es wird darauf hinauslaufen, dass magischer Weise über Nacht viele Pflanzen fertig sein werden.» Damit rechnete zumindest Söffing. Man müsse keinen Nachweis erbringen, woher das Cannabis komme. Ähnlich hatte sich auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geäußert: Wenn jemand etwa am 2. April auf Grundlage einer eigenen angebauten Pflanze konsumiere, spiele es keine Rolle, wann die Pflanze gekauft und aufgebaut worden sei oder wie viel Wasser sie gehabt habe. Die Thüringer Polizei wies zudem darauf hin, dass auch der Kauf von Cannabis ab dem 1. April straffrei sei. Belangt werden könne also nur der Verkäufer.

Darf nun in der Kneipe gekifft werden?

Wenn zum Beispiel keine Schule in der Nähe sei und die Kneipe auch bisher eine Raucherkneipe gewesen sei, sei das theoretisch möglich, erklärte der Geschäftsführer des Branchenverbands Dehoga Thüringen, Dirk Ellinger. „Grundsätzlich muss jetzt jeder Unternehmer schauen, wie er damit umgeht.“ Die Wirte hätten ein Hausrecht und könnten den Konsum auch untersagen. Im Biergarten, wo Kinder in der Nähe seien, sei Cannabis etwa nicht angebracht. Der Dehoga arbeite an Handreichungen für die Mitglieder in Thüringen.

Darf in Thüringer Kleingärten Cannabis angebaut werden?

In der Regel nicht. Der Anbau der drei Pflanzen sei nur in Ausnahmefällen erlaubt, nämlich wenn für den Kleingarten eine bestandsgeschützte Wohnnutzung vorliege, teilte der Landesverband Thüringen der Gartenfreunde mit. Und selbst dann sei der Anbau voraussichtlich nur innerhalb der Laube zulässig. Die Pflanzen müssten nämlich vor dem Zugriff etwa von Kindern und Jugendlichen geschützt werden. Das sei auf einer Parzelle eines Kleingartens in der Regel nicht gewährleistet.

Wie ist es im Verkehr?

Im Verkehr gilt weiterhin die Grenze von 1 Nanogramm des Wirkstoffs THC je Milliliter Blut. Eine Expertenkommission schlug zuletzt eine Anhebung auf 3,5 Nanogramm vor. Das sei ein „konservativer Ansatz, der vom Risiko vergleichbar ist mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille“. Die Thüringer Polizei plant für die Zeit ab dem 1. April zunächst keine verstärkten Verkehrskontrollen. Werden Autofahrer in Thüringen mit THC im Blut erwischt, wird nicht mehr wie früher ein Verfahren wegen des Verdachts auf Drogenbesitz eingeleitet. Das gelte aber nicht für andere verbotene Substanzen, sagte der Sprecher.

Welche Strafen drohen bei Verstößen?

Empfindliche Geldbußen und auch Gefängnis sind möglich. Wer etwa die Gramm-Vorgaben zum Besitz leicht überschreitet, riskiert ein Bußgeld. Das kann laut Gesetz allerdings mit bis zu 30.000 Euro saftig ausfallen. Werden sogar mehr als 30 Gramm im Rucksack, mehr als 60 Gramm zu Hause oder mehr als drei Pflanzen in der Wohnung gefunden, greift das Strafrecht: Es droht im schlimmsten Fall Gefängnis. Das gilt besonders für die Weitergabe der Droge an Kinder und Jugendliche. Wer kifft, wo kiffen nicht erlaubt ist - also auf oder in der Nähe von Spielplätzen, tagsüber in der Fußgängerzone oder in der Nähe von Kindern und Jugendlichen - begeht zwar nur eine Ordnungswidrigkeit, riskiert aber ebenfalls empfindliche Bußgelder bis zu 30.000 Euro.

Was kommt auf Polizei und Justiz in Thüringen zu?

Die Thüringer Polizei erwartet für die erste Zeit nach der Legalisierung eher ein erhöhtes Arbeitsaufkommen. Das sei die Phase, in der sich «konsumgeneigte Teile der Bevölkerung auf die durch viele Ausnahmeregelungen gekennzeichnete Rechtslage einstellen müssen», so der Sprecher. Insgesamt könne davon ausgegangen werden, dass durch die Legalisierung mehr Sach- und Personalkosten entstünden. Die Thüringer Justiz rechnete damit, dass etwa 4500 Strafverfahren erneut geprüft werden müssen. Hintergrund ist eine Amnestieregelung. Generell solle in jedem Fall das mitgeführte Cannabis für eine Erstbeurteilung gewogen werden. Dazu würden aktuell Feinwaagen „in ausreichender Anzahl“ beschafft.

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