Erfurt . Solange es weder Impfstoff noch Medikamente gibt, müsse ein Alltag vorbereitet werden, in dem die Menschen Abstand voneinander halten. Rudolstadt-Festival oder „Sonne-Mond-Sterne“ seien in diesem Jahr laut Ramelow undenkbar.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (DIE LINKE.) hält es wegen der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus nicht für sinnvoll, die Kontaktverbote bereits jetzt zu lockern. Thüringen stehe noch am Anfang der Welle schwerer Erkrankungen. Es gebe keinen Impfstoff und kein Medikament gegen das Virus. Auch gebe es keine Testmethode, die wirklich sicher sei. Ramelow sagte dem MDR, das Wort „Lockerungen“ suggeriere, es gäbe ein Zurück zu den Verhältnissen vor der Corona-Krise. Solange es jedoch weder Impfstoff noch Medikamente gibt, müsse ein Alltag vorbereitet werden, in dem die Menschen Abstand voneinander halten. „Es geht um die Infektionsgefahr, die muss unterbunden werden. Wenn wir das sicher einhalten und auch durchhalten, dann haben wir eine Chance zu einer Normalität zu kommen, die nicht mehr so normal ist wie das, was wir vorher hatten“ so Ramelow.

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Daher könne es auch keine Festivals geben. Veranstaltungen wie das Rudolstadt-Festival oder „Sonne-Mond-Sterne“ am Bleilochstausee seien nicht vorstellbar. Mit einigen großen Veranstaltern habe er deswegen Gespräche geführt, sagte Ramelow. Damit die Festivals ein Jahr später stattfinden können, müssten die Veranstaltungsfirmen unterstützt werden.

Zur Unterstützung der Wirtschaft habe Deutschland einen „ungeheuren Schutzschirm“ aufgebaut. Thüringen habe bereits jetzt aus einem ersten Hilfspaket 35 Millionen Euro ausgereicht. Zudem sichere der Bund Kredite ab. Firmen, Vereine, Institutionen bekämen staatliche Hilfe. Allerdings erwartet Ramelow auch Pleiten. „Unfallfrei wird das alles nicht sein“, sagte er. „Wir muten der Bevölkerung etwas zu, das wir uns nie hätten vorstellen können.“

Der Linke-Politiker warb dafür, Menschen mit größerem Vermögen stärker an den Kosten der Corona-Krise zu beteiligen. Er berief sich dabei auf das Lastenausgleichsgesetz aus dem Westdeutschland der Nachkriegszeit, als Grundstücksbesitzer den Vertriebenen Boden abtreten mussten. Jetzt hätten alle, die über kleinere Einkommen verfügten, unter Corona stärker zu leiden als Menschen mit größeren Einkommen. Ramelow zitierte dafür den Bibel-Spruch „einer trage des anderen Last“. Die Ungleichheiten zwischen dem Westen und Ostdeutschland mit seinen niedrigeren Einkommen drohten sich sonst zu verschärfen. Bei der Akzeptanz der Kontaktverbote erkennt Ramelow in der Thüringer Bevölkerung nach eigenen Worten einen Lernprozess. Zu Beginn hätten sich viele nicht an die Abstandsvorschriften gehalten. Der Hirschgarten vor der Staatskanzlei sei brechend voll gewesen. „Man hatte das Gefühl, die haben Coronaferienparty. In der Innenstadt- alle Plätze waren voll.“ Erst als die Gaststätten geschlossen wurden, habe eine neue Wahrnehmung eingesetzt.

Ramelow verteidigte die Thüringer Entscheidung, die Bau- und Gartenmärkte offen zu halten. Die ersten Tage sei es schlecht gelaufen, weil die Kunden sich nicht an die Abstandsregeln gehalten hätten. „Ich habe die Konzernleitungen angerufen und denen gesagt, wenn ihr das nicht radikal ändert, dann werden wir die Läden schließen.“ Jetzt seien zwar die Warteschlangen lang, aber alle würden Abstand halten. Auch in der Bildungspolitik sind Ramelow zufolge Änderungen zu erwarten. E-Learning und andere Formen des Unterrichts müssten organisiert werden, die anstehenden Prüfungen sollten unter den Maßgaben des Infektionsschutzes stattfinden. Die Frage, wann Schülerinnen und Schüler wieder im Klassenraum sitzen können, sei derzeit nicht zu beantworten. Derzeit müssten der Infektionsschutz auch in der Schule und im Kindergarten durchgehalten werden.