Berlin/Świecko. Vor einem Besuch an der deutsch-polnischen Grenze betont Innenministerin Faeser, dass sie keinen Anlass für stationäre Kontrollen sieht - derzeit. Die Kritik an ihrer Haltung nimmt zu.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hält trotz wachsender Kritik derzeit an der Ablehnung stationärer Grenzkontrollen zu Polen fest - schließt sie aber für die Zukunft nicht völlig aus.

„Der Bund beobachtet die Entwicklung an den Grenzen weiterhin sorgfältig“, sagte ein Ministeriumssprecher der Deutschen Presse-Agentur. „Die vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen an anderen deutschen Grenzen sieht die Bundesregierung dabei weiterhin als Ultima ratio an, die zur Erreichung des damit verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sein muss.“

Bund und Länder hatten auf dem Flüchtlingsgipfel am 10. Mai vereinbart, stationäre Kontrollen wie an der Grenze zu Österreich abhängig von der Lage auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands einzuführen. Die CDU-Innenminister von Brandenburg und Sachsen, Michael Stübgen und Armin Schuster, verlangen von Faeser die Umsetzung für die Grenzen zu Polen und Tschechien. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) pocht darauf. Faeser verwies in einem Brief auf bisherige Schwankungen bei Einreisen über Polen.

„Es braucht Grenzkontrollen mit der Befugnis zurückzuweisen“

Die Kritik aus der Union wird lauter. Solange die Zahl illegaler Einreisen nach Deutschland so hoch sei wie jetzt, seien konsequente Maßnahmen nötig, um die Entwicklung zu stoppen, sagte die CDU/CSU-Fraktionsvizechefin Andrea Lindholz (CSU).

Die Bundesinnenministerin kündigte am Donnerstag mit Blick auf die Einreisen mehr Schleierfahndung an den Grenzen zu Polen und Tschechien an. Brandenburgs CDU-Fraktionschef Jan Redmann hält das für ein Placebo. „Die Bundespolizei bleibt ein uniformiertes Begrüßungskomitee, das irregulär Einreisende in die Erstaufnahmeeinrichtung fährt“, sagte er. „Es braucht Grenzkontrollen mit der Befugnis zurückzuweisen.“

Die Wiedereinführung von Kontrollen an der Grenze zu Tschechien ist erstmal vom Tisch, wie ein Treffen von Faeser mit ihrem tschechischen Kollegen Vit Rakusan am Freitag ergab. Dort warnte Faeser vor einem großen Hindernis für Pendler und Wirtschaft im Fall stationärer Kontrollen. Am Dienstag besucht sie das Gemeinsame Zentrum der deutschen und polnischen Polizei in Świecko (Polen) nahe Frankfurt (Oder) in Brandenburg. Faeser hofft dort auf eine ähnliche Vereinbarung wie im Fall von Tschechien.

Der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), René Wilke (Linke) warnt, ausgeweitete Kontrollen dürften den Alltag in der Doppelstadt Frankfurt (Oder)/Słubice (Polen) nicht behindern. „Familien, Einkaufen, Kultur und Sport, Hochschulen und Kitas - das ist alles verzahnt miteinander“, sagte er der dpa. „Da kann man nicht einfach die Rückwärtstaste drücken.“

Die Grünen wenden sich gegen stationäre Kontrollen. „Ich sehe massive Nachteile, was den freien Grenzverkehr angeht“, sagte Brandenburgs Integrationsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). „Es ist auch Polen gegenüber ein schwieriges Zeichen.“ Und sie verweist auf die langen Staus, als es Grenzkontrollen in der Corona-Pandemie gab.