Washington. Hunderte Geheimdokumente nahm Trump aus dem Weißen Haus mit. Später soll er sie Gästen gezeigt haben. Die Anklageschrift ist brisant. Könnte sie den Präsidentschaftsbewerber ins Gefängnis bringen?

Geheimdokumente im Badezimmer, Plaudereien über militärische Angriffspläne: Die US-Justiz erhebt mit ihrer Anklage gegen Donald Trump in der Affäre um vertrauliche Regierungsunterlagen schwere Vorwürfe gegen den Ex-Präsidenten. Am Freitag wurde die 49-seitige Anklageschrift gegen den republikanischen Präsidentschaftsbewerber veröffentlicht.

Darin werden sieben Kategorien von Vergehen aufgeführt, Trump werden insgesamt mehr als 35 Straftaten zur Last gelegt. Vorgeworfen wird ihm unter anderem eine Verschwörung zur Behinderung der Ermittlungen und die gesetzeswidrige Aufbewahrung höchstsensibler Informationen, darunter Details zu nuklearen Fähigkeiten der USA und anderer Staaten sowie militärische Notfallpläne der Vereinigten Staaten.

Geheimdokumente im Anwesen in Florida

Hintergrund ist Trumps Umgang mit geheimen Regierungsdokumenten nach seinem Abschied aus dem Weißen Haus. Die Bundespolizei FBI hatte im August sein Privatanwesen Mar-a-Lago in Florida durchsucht und dort diverse Verschlusssachen beschlagnahmt, einige mit höchster Geheimhaltungsstufe.

In der Anklageschrift heißt es, nach dem Machtwechsel habe Trump keine Befugnis gehabt, geheime Regierungsunterlagen zu besitzen oder aufzubewahren. Sein Anwesen Mar-a-Lago sei kein genehmigter Ort gewesen, um die Unterlagen zu lagern. Trumps Residenz ist zudem kein abgeriegeltes Privathaus, sondern ein Club mit Zimmern für zahlende Gäste und vielen Veranstaltungen wie Hochzeiten.

Dokumente in der Dusche

Kisten mit Verschlusssachen habe Trump dort unter anderem in seinem Schlafzimmer, einem Badezimmer, einer Dusche, einem Ballsaal und einem Lagerraum aufbewahrt. Einige Kisten seien zeitweise in einem Raum gelagert worden, in dem öffentliche Veranstaltungen abgehalten worden seien. Ein Lagerraum für Dokumente in mehr als 80 Kisten sei über einen öffentlichen Pool-Bereich einfach zu erreichen gewesen.

Trump wird unter anderem die vorsätzliche Aufbewahrung von Informationen der nationalen Verteidigung vorgeworfen. Dieser Punkt fällt unter das US-Spionagegesetz und kann allein bereits mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. In Dokumenten, die Ermittler bei Trump fanden, ging es laut Anklage etwa um Verteidigungsfähigkeiten der USA und anderer Staaten, inklusive nuklearer Waffen, sowie um militärische Schwachstellen in der Verteidigung der USA und ihrer Partner. Es ging auch um potenzielle militärische Optionen von nicht genannten Staaten. Andere Dokumente behandelten die ausländische Unterstützung von Terrorangriffen auf die Vereinigten Staaten.

Tonaufnahme dokumentiert Umgang mit Dokumenten

Die Ermittler führen in der Anklageschrift detailliert auf, wie Trump mit anderen Personen über die teils streng geheimen Informationen sprach oder diese Dritten zeigte. Eine Tonaufnahme dokumentiere etwa ein Zusammentreffen Trumps mit einem Schriftsteller für ein Interview. Dabei habe Trump gesagt, er habe ein „höchst vertrauliches“ Dokument gefunden, in dem es um den Plan des US-Militärs für einen Angriff auf ein Land gehe, dessen Name in dem Text ausgespart werde. Laut Abschrift der Aufnahme sagte Trump: „Das sind geheime Informationen. Schauen, schauen Sie sich das an.“ Keiner der Anwesenden habe eine Berechtigung gehabt, das Papier zu lesen.

Trump habe aktiv versucht, die Ermittlungen gegen ihn zu behindern, heißt es in der Anklageschrift weiter. Dazu habe er ein Komplott mit seinem persönlichen Assistenten Walt Nauta geschmiedet, gegen den ebenfalls Anklage erhoben wurde. Trump habe den Mitarbeiter unter anderem angewiesen, Kisten anderswo hinzubringen. Einem Anwalt soll er nahegelegt haben, Unterlagen zu verstecken oder zu zerstören.

Im Mai 2022 - also vor der FBI-Durchsuchung seines Anwesens - soll sich Trump mit seinen Anwälten über die Geheimdokumente unterhalten haben. Dabei soll er gesagt haben: „Wäre es nicht besser, wenn wir ihnen einfach sagen würden, dass wir hier nichts haben?“ Und: „Ist es nicht besser, wenn es keine Dokumente gibt?“

Nachdem Trump im November offiziell verkündet hatte, bei der Wahl 2024 erneut anzutreten, setzte das Justizministerium den unabhängigen Sonderermittler Jack Smith ein, um die politisch heiklen Ermittlungen gegen Trump auszulagern. Smith stellte am Freitag in Washington ein zügiges Gerichtsverfahren in dem Fall in Aussicht und rief die Öffentlichkeit dazu auf, die Anklageschrift in voller Länge zu lesen, um den „Umfang und die Schwere“ der Straftaten zu verstehen.

Der Ex-Präsident gibt sich nach der Veröffentlichung der Anklageschrift kämpferisch. Bei einem Wahlkampfauftritt in Columbus im Bundesstaat Georgia bezeichnete Trump die Anklage am Samstag als „lächerlich“, unbegründet und einen der schrecklichsten Fälle von Machtmissbrauch in der Geschichte der USA. „Das ist ein politischer Auftragsmord“, wetterte der republikanische Präsidentschaftsbewerber. US-Präsident Joe Biden versuche, „seinen führenden politischen Konkurrenten ins Gefängnis zu bringen“, behauptete Trump und kündigte an: „Wir werden dagegen ankämpfen, wie noch nie jemand gekämpft hat.“

Frührer Vertrauter: „Diese Fakten sind verheerend“

Zwei parteiinterne Konkurrenten, die ebenfalls als republikanische Präsidentschaftsbewerber im Rennen sind, griffen Trump scharf an. Der frühere Trump-Vertraute und Ex-Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, sagte dem Sender CNN: „Diese Fakten sind verheerend.“ Die Partei und die Wähler müssten sich fragen, ob so jemand die richtige Person für das höchste Staatsamt sei. Der Ex-Gouverneur des Bundesstaates Arkansas, Asa Hutchinson, rief Trump angesichts der Anklage dazu auf, seine Präsidentschaftsbewerbung zurückzuziehen.

Christie und Hutchinson gelten als Trump-Kritiker und haben keine besonders einflussreiche Stellung innerhalb der Republikanischen Partei. Die Parteiprominenz steht bislang zu Trump und wirft der Regierung von US-Präsident Joe Biden vor, das Justizsystem als Waffe gegen einen politischen Konkurrenten einzusetzen.

Trump spricht von „Wahleinmischung auf höchster Ebene“

Die beispiellose Anklage fällt mitten in den ohnehin aufgeladenen Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2024 und stellt die US-Demokratie einmal mehr auf die Probe. In Umfragen liegt Trump im Feld der republikanischen Präsidentschaftsanwärter weit vorne. Er wertet die Anklage gegen ihn als „Wahleinmischung auf höchster Ebene“ und als „Kriegsführung“ mit juristischen Mitteln.

Es ist das erste Mal, dass gegen einen Ex-Präsidenten der USA auf Bundesebene Anklage erhoben wurde. Trump war im April bereits im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar auf Bundesstaaten-Ebene in New York angeklagt worden. Es wird auch noch in anderen Fällen gegen Trump ermittelt. Bislang wiegen die Vorwürfe im Zusammenhang mit den Dokumenten juristisch aber am schwersten.