Hamburg. In Hamburg und Kempten hat die Polizei Wohnungen durchsucht. Ein Mann wurde dabei festgenommen. Er soll einen Anschlag geplant haben.

Es waren die Bestellungen, die den Verdacht erhärteten. Düngemittel, offenbar, die sich der junge Mann beim Online-Händler „ebay“ orderte. Dazu weitere Chemikalien, „Grundstoffe zur Herstellung sprengfähigen Materials“, wie die Ermittler schreiben. Das Ziel des Mannes war laut Polizei: der Bau eines Sprengstoffgürtels, um einen Anschlag zu verüben.

Im Fokus: Anas K, ein 28 Jahre alter Tatverdächtiger und dessen Bruder, 24 Jahre alt. Beide sind syrische Staatsbürger, der ältere lebt in Hamburg, ist seit mehreren Jahren in Deutschland. Der Jüngere lebt in Kempten im Allgäu (Bayern). Und: Die Ermittler sehen ein islamistisches Motiv bei den Vorbereitungen, entdeckten bei den mutmaßlichen Tätern offenbar eine „radikal-islamistischen und jihadistischen Grundhaltung“.

Razzia: Polizei durchsucht mehrere Wohnungen in Hamburg

Der 28 Jahre alte Haupttatverdächtige wurde am Dienstagmorgen in Hamburg, mitten in der Innenstadt in Alsternähe durch Spezialkräfte der Polizei festgenommen. Die Beamtinnen und Beamten durchsuchten mehrere Objekte, die Wohnung des Beschuldigten, sowie weitere Wohnungen von „Kontaktpersonen“, wo die Polizei weitere Beweise sichern wollte. Der Bruder in Kempten ist auch im Visier der Ermittler, auch bei ihm wurde durchsucht, auch er wurde nach Polizeirecht und im Zuge der „Gefahrenabwehr“ vorläufig festgenommen.

Der Tatvorwurf ist interessant: Die Ermittler beschuldigen den Verdächtigen nicht wegen der Vorbereitung eines Anschlags, sondern wegen „Terrorismusfinanzierung“. Denn: Offenbar hatte der Mann den Sprengstoffgürtel noch nicht so weit vorbereitet, sodass ausreichend Tathinweise für konkrete Anschlagspläne vorliegen. Es fehlten noch entscheidende Bauteile, wie ein Zünder. Nun soll er für die Beschaffung von Material zu Terrorzwecken angeklagt werden. Zu illegalen „Vermögenswerten“ zählen laut Staatsanwaltschaft auch Substanzen zur Sprengstoffherstellung, um damit Morde zu begehen.

Kempten: Bruder soll Anschlagspläne unterstützt haben

Ein konkretes Anschlagsziel sei nicht bekannt – nur dass sich der 28-Jährige mit dem Gürtel selbst in die Luft sprengen wollte, um „möglichst viele Ungläubige zu töten“, sagte Liddy Oechtering, Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft, auf Anfrage unserer Redaktion. Im Fokus des Tatverdächtigen seien „zivile Ziele“ gewesen. Sein in Kempten lebender Bruder soll den 28-Jährigen „in der Tatplanung bestärkt und somit Beihilfe geleistet haben“, schreibt das Bundeskriminalamt in einer Pressemitteilung.

Es ist ein Fall, der zeigt, dass islamistisch motivierte Täter offenbar weiterhin in Deutschland agieren – auch wenn die Szene in den vergangenen Jahren stark geschwächt wurde. Und nicht nur in Hamburg haben die Ermittler Islamisten im Visier. In Duisburg entdeckten die Polizisten Hinweise auf eine islamistische Motivation des mutmaßlichen Täters, der vor einer Woche vier Menschen in einem Fitnessstudio gezielt mit einem Messer angegriffen haben soll. Einer der Opfer schwebt noch in Lebensgefahr. Auf dem Handy entdeckten die Ermittler nun offenbar Hinweise darauf, dass der mutmaßliche Täter Islamist ist. Das macht den Angriff zu einer politischen Tat. Lesen Sie dazu auch: Attacke in Fitnessstudio: Polizei sieht islamistisches Motiv

Islamismus: BKA zählt rund 600 Gefährder in Deutschland

Mit Blick auf den Einsatz in Hamburg und im Allgäu sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): „Es gibt weiterhin eine akute Bedrohung durch islamistischen Terror, der wir sehr konsequent und mit massivem Einsatz unserer Sicherheitsbehörden begegnen“, sagte die SPD-Politikerin unserer Redaktion. „Die Gefahr geht sowohl von islamistischen Terrororganisationen als auch von islamistisch motivierten Einzeltätern aus.“ Das erfordere Wachsamkeit.

Das BKA zählt derzeit gut 600 sogenannte Gefährder, also Menschen, denen die Polizei schwere Straftaten wie einen Anschlag zutraut. Die Zahl der islamistischen „Gefährder“ hat in den vergangenen Jahren abgenommen. Viele gewaltbereite Islamisten waren nach Syrien und Irak ausgereist, teilweise dort bei Kämpfen getötet worden oder sitzen in Haft. Auch in Deutschland sind viele Islamisten inhaftiert. Andere sind noch in ihrem Milieu aktiv, doch die Sicherheitsbehörden haben den Überwachungsapparat mit Blick auf die extremistische Szene in den vergangenen Jahren stark ausgebaut.

Und dennoch: Mit mehr als 500 Gefährdern mit „religiöser Ideologie“ machen Islamisten noch immer den größten Teil der Gefährder auf der Liste des BKA aus – auch wenn viele von ihnen aktuell gar nicht in Deutschland sind. Ihnen trauen die Behörden schwere Gewalttaten bis hin zu Anschlägen oder Attentaten zu.

Angewachsen war zuletzt der Anteil der rechtsextremen Gewaltbereiten, denen die Polizei schwere Straftaten zutraut. Derzeit zählen die Behörden gut 70 rechte Gefährder. Hier hatten die Sicherheitsbörden zuletzt mehrere mutmaßliche Terrorgruppen im Visier – mit etlichen Festnahmen und der Sicherstellung von Dutzenden Waffen und Munition.