Erfurt. Nach der Vollbremsung bei der Landtagswahl sieht die Thüringer Linken alle Fraktionen gefordert, den AfD-Einfluss auf Parlamentsentscheidungen einzudämmen. Die Freien Wähler kritisieren die Absage scharf.

Die Linke verwies in einer Erklärung am Samstag auf die großen Probleme bei der «Mehrheitsfindung im demokratischen Lager», die dafür gesorgt habe, den Antrag auf Landtagsauflösung am Freitag zurückzuziehen. Die AfD mit Rechtsaußen Björn Höcke an der Spitze stellt die zweitgrößte Fraktion im Landtag in Erfurt.

Die Linke wolle jetzt auf Organisationen und Bündnisse zugehen, von denen viele mit Kritik und Unverständnis auf die Entscheidung, die Landtagsauflösung und damit die geplante Neuwahl am 26. September abzusagen, reagierten. Linke und Grüne zogen Ihre Unterschriften auf einem Antrag zur Auflösung des Parlaments zurück, weil sie bei einer Abstimmung darüber nicht die nötige Zweidrittelmehrheit jenseits der AfD sahen.

Linke: Neuwahl einzige mögliche Reaktion auf Tabubruch

Der Linke-Landesvorstand erklärte, er hielt und hält die Neuwahl des Thüringer Landtages für die einzig mögliche politische Reaktion auf den Tabubruch vom 5. Februar 2020, als CDU und FDP zusammen mit der AfD Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) wählten. Kritik übte der Vorstand an der CDU, die entgegen ihren Beteuerungen die nötigen Stimmen für die Landtagsauflösung «nicht glaubhaft beibringen» konnte. «Die angekündigte Enthaltung der FDP machte die Mehrheitsfindung im demokratischen Lager dann endgültig unmöglich.»

Mit der Parlamentsauflösung sollte der Weg für eine vorgezogene Landtagswahl geebnet werden - in der Hoffnung auf klare Mehrheitsverhältnisse im Parlament. Die rot-rot-grüne Regierungskoalition von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat keine eigene Mehrheit - ihr fehlen vier Stimmen, um allein Entscheidungen treffen zu könne.

Thüringer CDU gibt sich konstruktiv

Die Thüringer CDU schließt unterdessen Gespräche über eine "punktuelle Zusammenarbeit" nicht aus. Landtags-Fraktionschef Mario Voigt sagte dem MDR, in einem vernünftigen Umgang unter Demokraten stehe das Wohl des Landes ganz oben. Allerdings sei auch klar, dass die CDU für eigene politische Inhalte stehe. Heike Werner, Co-Vorsitzende der Thüringer Linken, Heike Werner, könne sich sich wechselnde Mehrheiten aus Linken, SPD, Grünen, CDU und FDP vorstellen.

Scharfe Kritik von Freien Wählern

Scharfe Kritik kommt dagegen von den den Freien Wählern in Thüringen: Die Absage der Landtagsneuwahl sei ein "kollektives Politikversagen". Rotrotgrün und die CDU seien ohne Not vertragsbrüchig geworden, sagte Landesvorsitzender Norbert Hein. Um die Corona-Krise zu überwinden, braucht es laut Hein eine entscheidungswillige und entscheidungsfähige Regierung. Dafür sei eine Minderheitsregierung schlicht nicht geeignet. Die Freien Wähler sind noch nicht im Landtag vertreten und hatten auf einen Einzug gehofft.

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