Berlin. Kanzler Scholz hat seine erste Regierungserklärung abgegeben. Deutlich wurde: Seine größten Aufgaben sind die Pandemie und ihre Folgen.

In seiner ersten Regierungserklärung im Bundestag hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch das Programm seiner Regierung für die kommenden Jahre vorgestellt. Direkt zu Beginn seiner mehr als 80 Minuten langen Rede sprach Scholz jedoch minutenlang über die schwierige Lage in der Corona-Pandemie, die den Start der Ampel-Regierung überschattet.

Erste Regierungserklärung von Scholz: Der düsterste Moment

Olaf Scholz machte keinen Hehl daraus, dass die derzeitige Lage in der Pandemie ernst und bedrückend ist. „Die neue Bundesregierung übernimmt den Staffelstab in außergewöhnlich bedrückenden Wochen“, sagte der Bundeskanzler. Dieses Weihnachtsfest werde wie schon im vergangenen Jahr durch das Virus geprägt sein.

„Viel zu hohe Infektionsraten, erschöpfte Ärztinnen und Krankenpfleger, dramatische Verlegungen von Intensivpatienten per Flugzeug und Hubschrauber, Schlangen vor Impfzentren, die Sorge vor der neuesten Variante des Virus – mir ist bewusst, in diesen Tagen fällt es manchmal schwer, den Mut nicht zu verlieren“, räumte der Sozialdemokrat ein. „Ich weiß, dass Abstandhalten und Glücklichsein sehr schlecht zusammenpassen.“

"Wir haben keine Zeit zu verlieren.": Bundeskanzler Olaf Scholz. © dpa

Corona: Das größte Versprechen

Scholz rief die Bürgerinnen und Bürger eindringlich auf, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Er bekräftigte das Ziel, „dass wir alle zusammen in Deutschland 30 Millionen Impfdosen bis Jahresende in die Oberarme kriegen“. Bisher seien seit Ende November 19 Millionen Dosen verimpft worden. Der Kanzler machte klar, dass die neue Regierung aus SPD, Grünen und FDP den Kampf gegen die Pandemie die höchste Priorität einräumt.

„Die Bundesregierung wird nicht einen einzigen Augenblick ruhen, und wir werden jeden nur möglichen Hebel bewegen, bis wir alle unser früheres Leben und alle unsere Freiheiten zurückbekommen haben“, versprach Scholz. „Wir werden alles tun, was notwendig, ist, es gibt da für die Bundesregierung keine roten Linien.“ Was er damit meinte, führte Scholz allerdings nicht genauer aus.

Die härteste Ansage

Als Reaktion auf radikale Proteste gegen die Corona-Politik kündigte Scholz entschlossenes Handeln an. Seine Regierung habe „Respekt vor ernst gemeinten Einwänden“ etwa gegen das Impfen, sie wolle zuhören. „Wir geben auch den Versuch nicht auf, bislang noch Zurückhaltende davon zu überzeugen, dass sie sich doch impfen lassen, mit der Kraft der Fakten, der Kraft der Vernunft oder der Kraft des besseren Arguments“, sagte der Bundeskanzler. „Was es eben heute auch gibt in Deutschland, das ist Wirklichkeitsverleugnung, das sind absurde Verschwörungsgeschichten, mutwillige Desinformation und gewaltbereiter Extremismus.“

Gegenüber dieser Gruppe kündigte der Sozialdemokrat eine harte Linie an: „Eine kleine extremistische Minderheit in unserem Land hat sich von unserer Gesellschaft, unserer Demokratie, unserem Gemeinwesen und unserem Staat abgewandt, nicht nur von Wissenschaft, Rationalität und Vernunft“, sagte Scholz. „Wir werden es uns nicht gefallen lassen, dass eine winzige Minderheit von enthemmten Extremisten versucht, unserer gesamten Gesellschaft ihren Willen aufzuzwingen. “

Diesen werde seine Regierung „mit allen Mitteln unseres demokratischen Rechtsstaats entgegentreten“. Scholz wies jedoch die Darstellung zurück, dass die Gesellschaft in der Corona-Politik gespalten sei: „Unsere Gesellschaft ist nicht gespalten. Die überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land verhält sich solidarisch, vernünftig und vorsichtig.“

Der dringlichste Appell

Scholz stimmte die Bürgerinnen und Bürger auf ein Jahrzehnt des Aufbruchs und der Modernisierung ein. Das betreffe etwa die Digitalisierung und ganz besonders den Umbau des Landes hin zu einer klimaneutralen Volkswirtschaft. „Hinter uns liegen 250 Jahre, in denen unser Wohlstand auf dem Verbrennen von Kohle, Öl und Gas gründete“, sagte Scholz. Nun müsse Deutschland bis 2045 klimaneutral werden.

„Damit liegt vor uns die größte Transformation unserer Industrie und Ökonomie seit mindestens 100 Jahren.“ Scholz rief die Bevölkerung auf, den Veränderungen offen entgegenzutreten. „Es ist ja immer verlockend, bisher Erfolgreiches einfach weiterzumachen“, sagte Scholz. Kaiser Wilhelm II. werde das Zitat zugeschrieben: „Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung“.

Wenn sich diese Sichtweise durchgesetzt hätte, dann wäre Deutschland heute ein ärmeres und rückständigeres Land. „Daher werden wir in Deutschland neue Wege einschlagen, auch da, wo das Bestehende auf den ersten Blick oft noch gut funktioniert“, sagte Scholz.

Die konkreteste Ankündigung

Scholz kündigte einen Mindestlohn von zwölf Euro für 2022 an. „Das soll im Laufe des kommenden Jahres geschehen“, sagte der Kanzler im Plenum des Bundestag. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) werde dafür „zeitnah“ ein Gesetz auf den Weg bringen.

Die besten Momente von Olaf Scholz

In den vergangenen Tagen hatte Scholz bei mehreren Gelegenheiten klare Aussagen zu diversen Themen vermieden und wirkte, als wolle er zu Beginn seiner Amtszeit keine Kontroversen hervorrufen. In seiner ersten Regierungserklärung im Bundestag redete Scholz besonders anfangs eindrücklich und klar, als es um die Lage in der Corona-Pandemie ging. Als er im Verlauf seiner Rede die Ziele des Koalitionsvertrags referierte, klang dies wieder weniger leidenschaftlich.

Von wiederholten Zwischenrufen der AfD-Abgeordneten ließ Scholz sich nicht beeinflussen. Am Ende wurde Scholz noch einmal emotional. Angesichts der von ihm aufgezählten Herausforderungen fragten sich sicherlich viele Menschen, ob dies alles zu schaffen sei. „Ja, das kann gut ausgehen und das wird gut ausgehen“, sagte Scholz. „Wir nehmen die Herausforderungen unserer Zeit an und wir werden sie bewältigen.“

Die härteste Attacke gegen Scholz

Direkt nach Scholz ergriff der Chef der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus (CDU) das Wort. Zwar beglückwünschte Brinkhaus den Kanzler zu seinem neuen Amt, schaltete dann jedoch bald auf Angriff. „Ich erwarte von einem Bundeskanzler in der ersten Regierungserklärung nicht, dass er kleinteilig den Koalitionsvertrag referiert“, sagte der CDU-Politiker. „Sondern ich erwarte, dass er die großen Linien zeigt.“ Zu dem von Scholz beschworenen Fortschritt sei zudem Begeisterung erforderlich, die habe er in der gesamten Ansprache des Kanzlers allerdings nicht verspürt.