Berlin. Steffen Seibert war elf Jahre lang der Sprecher von Angela Merkel. Nun übernimmt Seibert eine neue Aufgabe als Regierungsvertreter.

Zum Abschied bekam Steffen Seibert von seinen Mitarbeitern eine Jogginghose geschenkt, weil er selbst keine hatte. Diese sei zum „Chillen“ gedacht, wurde dem scheidenden Regierungssprecher gesagt. Nach elf Jahren als Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel begann für den dreifachen Familienvater Ende 2021 ein neuer Lebensabschnitt. Nach unzähligen Pressekonferenzen, Reisen mit seiner Chefin um die ganze Welt und einem stetigen Blick auf die letzten Eilmeldungen kehrte für den 62-Jährigen mit dem Ende der Amtszeit Merkels im Dezember ungewohnte Ruhe ein – zumindest für einige Monate.

Wie Seibert nun selbst bekannt gab, vertritt er die Bundesregierung künftig als Botschafter in Israel. Die Jogginghose, in der man sich den stets akkurat gekleideten Seibert ohnehin nur schwer vorstellen kann, dürfte somit absehbar ein Dasein in Seiberts Kleiderschrank fristen. Der frühere ZDF-Journalist übernimmt den Posten in Tel Aviv von der bisherigen Botschafterin Susanne Wasum-Rainer. Seibert veröffentlichte ein kurzes Video auf Twitter, in dem er sich auf Hebräisch und Englisch als ihr Nachfolger vorstellt.

Steffen Seibert und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2018 in der Bundespressekonferenz.
Steffen Seibert und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2018 in der Bundespressekonferenz. © dpa | Wolfgang Kumm

Merkel-Vertrauter mit CDU-Parteibuch

Deutschland und Israel seien heute Partner und Freunde, „für uns Deutsche, für mich persönlich, bedeutet das so viel“, sagt Seibert darin. „Nach der Barbarei und den monströsen Verbrechen der Shoa ist Freundschaft mit Israel nichts, das wir Deutschen als selbstverständlich ansehen könnten.“

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Das Auswärtige Amt besetzt derzeit mehrere prestigereiche Botschafterposten neu. Dass der Merkel-Vertraute mit einem CDU-Parteibuch von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Israel entsandt wird, geht offenbar auf ein Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an seine Vorgängerin zurück, den früheren Chef des Bundespresseamts als Botschafter weiterzuverwenden. Wie es üblich ist, brachte Scholz mit seinem langjährigen Begleiter Steffen Hebestreit seinen eigenen Sprecher mit, der Seibert mit Amtsantritt der Ampel-Regierung ablöste.

Seibert vermied Schlagzeilen – zur Zufriedenheit Merkels

Während eine Rückkehr in den Journalismus nach so vielen Jahren an exponierter Stelle in der Regierung für Seibert schwierig geworden wäre, hätten ihm in der Wirtschaft vermutlich viele Türen offen gestanden. In seiner Rolle als Merkels Sprecher war der mit der Malerin Sophia Seibert verheiratete Ex-Journalist stets darum bemüht, Zuspitzungen und Schlagzeilen zu vermeiden. Seibert erklärte sprachlich präzise, aber inhaltlich doch immer wieder schmallippig die Politik der Kanzlerin.

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Ganz offenbar zur Zufriedenheit Merkels: Keiner seiner Vorgänger hatte den Posten des Regierungssprechers so lange inne wie der gebürtige Münchner. 1065 Mal saß Seibert auf dem Podium der Bundespressekonferenz, um aus dem Kabinett oder über die Termine der Kanzlerin zu berichten.

Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt in Begleitung von Regierungssprecher Steffen Seibert 2018 aus dem Reichstag.
Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt in Begleitung von Regierungssprecher Steffen Seibert 2018 aus dem Reichstag. © dpa | Michael Kappeler

„Wusste nach zehn Sekunden, dass ich Regierungssprecher werden möchte“

Seibert studierte Geschichte, Literaturwissenschaften und Öffentliches Recht in Hamburg und London. Seine journalistische Karriere führte ihn von einem Volontariat beim ZDF über eine Korrespondentenstelle in Washington und das „Morgenmagazin“ bis auf den Moderatorenstuhl der „heute“-Nachrichten. Als Seibert 2010 das Angebot erhielt, der Sprecher der Kanzlerin zu werden, kam das für ihn überraschend. „Trotzdem wusste ich zehn Sekunden, nachdem ich gefragt worden war, dass ich Regierungssprecher werden möchte“, blickte Seibert zu Jahresbeginn in einem Interview mit dem „SZ Magazin“ zurück.

„Im Vordergrund stand natürlich das Interesse daran, dabei zu sein, wenn Politik gemacht wird, und sie nicht nur zu beobachten“, begründete Seibert in dem Gespräch seinen Wechsel vom Journalismus in die Regierungsarbeit. „Aber dahinter gab es bei mir auch immer die vielleicht etwas romantische Vorstellung, dass mein Leben aus ganz unterschiedlichen Kapiteln bestehen sollte, ein bisschen wie in einem Entwicklungsroman.“ Nun schlägt Seibert ein neues Kapitel auf als Botschafter in Israel.

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